In Deutschland ist ein Streit zwischen zwei Meinungsforschungsinstituten ausgebrochen. Es geht um die Meinungsforschung in Österreich während der NS-Zeit. Der Chef des Forsa-Instituts, Manfred Güllner, verwies in seiner Antrittsvorlegung als Professor am Publizistikinstitut darauf, dass die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) schon viel früher gegründet worden war als vom Institut dargestellt. Er zitiert aus einer GfK-Publikation von heuer, wonach die GfK "1968 ihr erstes Institut in Österreich eröffnen konnte". Güllner: "Dass die GfK schon 30 Jahre zuvor in die Ostmark einmarschiert war, wird nicht erwähnt." Güllner wirft der GfK vor, dass "sie heute ihre eigene Geschichte verdrängt".

Dabei sei eine Zweigstelle der GfK in Wien bereits "nach der Annexion Österreichs gegründet worden". Die Arbeit der GfK "vollzog sich nicht isoliert vom gesamten nationalsozialistischen System im Elfenbeinturm irgendeiner Wissenschaft", sondern zeige, "dass sie in die Expansionsbestrebungen des Dritten Reichs einbezogen war".

Bei einer Tagung in Wien Ende Jänner 1939 ging es laut Güllner um "Organisation und Führung der Wirtschaft in der Ostmark". Referent war der für Wirtschaft zuständige Staatskommissar Rafelsberger, der später in einem Brief an SS-Führer Heinrich Himmler meldete, dass "die Entjudung bis auf etwa 200 mittlere und kleinere Industriebetriebe durchgeführt ist". Die GfK reagierte schriftlich zu den Vorwürfen, die auch in einem Branchenblatt veröffentlicht wurden. Das Institut sieht in der Erwähnung Rafelsbergers und seiner Rolle im Dritten Reich eine "Verquickung verschiedenster Ereignisse und Zitate, ohne den Nachweis eines tatsächlichen Zusammenhangs". Güllner versuche "die Integrität der GfK infrage zu stellen oder gar zu schädigen". Das umstrittene Gründungsjahr in Österreich kommentierte die GfK nicht. (afs/DER STANDARD, Printausgabe, 7.1.2005)