Dank Börsengängen und Übernahmen hat sich das Investmentbanking-Geschäft in den USA wieder erholt. Die großen Broker- und Bankhäuser haben so viel Geld gescheffelt wie seit dem Terror von 2001 nicht. Branchenführer Goldman Sachs meldete zuletzt ein Nettoergebnis von 1,19 Mrd. Dollar (903 Mio. Euro) im vierten Quartal 2004, 23 Prozent mehr als in 2003.

Entsprechend prall gefüllt sind die Lohntüten der New Yorker Investmentbanker und Wertpapierhändler. 2004 haben sie 27,4 Prozent mehr verdient als 2003, was einem gemittelten Jahreseinkommen von 272.720 Dollar entspricht. Seit Wochen schon hocken die Finanzjongleure der Unternehmen über ihren Spreadsheets, um anhand hochkomplizierter Formeln aus Leistung, Renommee und Konzernlage auszurechnen, wem welche Sonderzahlungen zustehen.

Hohe Prämienzahlungen

Die jährlichen Boni sind in der Finanzbranche oft höher als die eigentlichen Gehälter, Managing Directors (die höchste Hierarchieebene in der angelsächsischen Bankstruktur) erhalten bis zu 90 Prozent in Form variabler Prämienzahlungen. "Viele streichen mindestens drei, vier Millionen Dollar ein", vermutet der Gehaltsexperte Alan Johnson. "Für Spitzenkräfte werden die Zuschüsse sogar 40 bis 50 Prozent höher liegen als 2003", weiß Headhunter Stephen Spagnuolo. Von dem vielen Geld profitieren nicht nur die Topverdiener, sondern auch die Stadt.

New Yorks Immobilien erzielen wieder Rekordpreise. Der Einzelhandel blüht, die Restaurants sind voll. "Dies ist die Zeit des Jahres, für die Immobilienmakler, Juweliere, Pelzhäuser und Ferrari-Händler leben", schreibt Forbes. Das Krösusmagazin bot in seiner Dezembernummer eine praktische Liste für Bonusmillionäre ("Wie man seinen Bonus verschwenden kann"), darunter: dreistöckiges Penthouse auf dem Dach des Fünf-Sterne-Hotels "Pierre" samt Ballsaal, fünf offenen Kaminen, vier Terrassen und getäfelter Bibliothek, Preis: 70 Mio. Dollar.

Konjunkturmaschine Wall Street

Die Wall Street ist New Yorks größte Konjunkturmaschine, sagt Rae Rosen, Volkswirtin bei der Zentralbank Fed: "Die 16 großen Broker-und Bankhäuser zeichnen für ein Drittel der Steuereinnahmen verantwortlich." Schätzungen zufolge hängen an jedem Wall-Street-Job zwei andere Arbeitsplätze in New York. Der Aufschwung an der Finanzmeile hat dazu beigetragen, dass die städtische Arbeitslosenrate 2004 von 6,3 auf 5,4 Prozent gesunken ist. Die Gehaltsentwicklung der Otto Normalarbeitnehmer ließ allerdings wie in anderen Landesteilen zu wünschen übrig: Nur noch ein Drittel aller US-Unternehmen zahlte seinem Fußvolk ein Weihnachtsgeld (meist unter 500 Dollar, in Form von Geschenkgutscheinen oder Naturalien), die Lohnsteigerungen waren gerade hoch genug, um mit der Inflation Schritt zu halten. (Beatrice Uerlings aus New York, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.1.2005)