Neu Delhi - Sri Lanka hat bis auf weiteres Adoptionen von verwaisten Kindern in Folge der Flutkatastrophe verboten. Wie der indische Fernsehsender NDTV am Freitag berichtete, reagiert die Regierung damit auf Befürchtungen der Vereinten Nationen, dass einige Waisenkinder in die Fänge von Kriminellen geraten und verschleppt worden sind.

Das Kinderhilfswerk UNICEF ist besorgt, dass diese Kinder sexuell missbraucht werden. Mindestens ein Drittel der offiziell bisher rund 150.000 Todesopfer der Katastrophe sind Kinder.

Angst vor Menschenhändlern

UN-Experten haben Angst, dass obdachlose oder verwaiste Kinder im südasiatischen Katastrophengebiet Menschenhändlern zum Opfer fallen. In Sri Lanka besteht Gefahr, dass solche Kinder von den Rebellen zwangsrekrutiert werden.

Die Vereinten Nationen wollen zum Schutz vor Menschenhändlern in der indonesischen Katastrophenregion Aceh alle betroffenen Kinder registrieren. Derzeit liefen gemeinsam mit der Regierung in Jakarta Vorbereitungen für die Einrichtung von Zentren, in denen zehntausende obdachlose Kinder und Waisen erfasst werden sollen, teilte ein Sprecher des UNO-Kinderhilfswerks Unicef mit. Eines der Registrierungszentren sei bereits seit Dienstag in der Provinzhauptstadt Banda Aceh im Einsatz.

35.000 Kinder in Gefahr

Laut Regierungsangaben sind durch die verheerende Flut mindestens 35.000 Kinder in der Region Nord-Sumatra obdachlos geworden oder haben ihre Eltern verloren. Die Regierung setzte einen landesweiten Adoptionsstopp in Kraft, um Kindesentführungen zu verhindern.

Sämtliche elternlose Kinder unter 16 Jahren sollen zunächst in staatlichen Waisenhäusern, bei islamischen Stiftungen oder in Schulen untergebracht werden. Kinder und Jugendliche dürfen die Provinz Aceh zudem nur in Begleitung ihrer Eltern verlassen.

Grund für Besorgnis

Mit ein Grund für die Besorgnis der Unicef waren Meldungen über asienweit verbreitete SMS-Botschaften vermeintlicher Kinderhändler aus Indonesien, die Kinder zum Verkauf angeboten haben sollen. Am Donnerstag widersprach der malaysische Vizepolizeichef Musa Hassan diesen Meldungen. Die bisherigen Ermittlungen hätten ergeben, dass kein Kind wirklich zum Verkauf angeboten wurde. Bei den SMS-Angeboten habe es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um schlechte Scherze gehandelt. Er rief dazu auf, solche Botschaften künftig zu ignorieren.

Eine andere Bedrohung für die jüngsten Betroffenen der Flutkatastrophe meldete Donnerstag die deutsche Kinderhilfe: Laut Helfern in Sri Lanka sollen Kinder verschwunden sein. "Wir machen uns große Sorgen und befürchten, dass die Kinder von der tamilischen Rebellenarmee zwangsrekrutiert werden sollen", sagte der Sprecher der Kindernothilfe, Sascha Decker.

Gegen Adoptionen

Inzwischen hat das Hilfswerk terre des hommes vor Adoptionen aus den Katastrophengebieten gewarnt. "Es mag gut gemeint sein, Kinder durch eine Adoption in Sicherheit zu bringen", sagte Referentin Maria Holz am Donnerstag. "Gerade in der jetzigen Situation muss aber in jedem Einzelfall sorgfältig sichergestellt werden, dass es zur Adoption ins Ausland keine sinnvolle Alternative gibt."

EU-Justizkommissar Franco Frattini peilt eine Förderung von Patenschaften und europäische Pflegefamilien für die Waisenkinder der Naturkatastrophe an. Auch über gemeinsame EU-Regeln für Adoptionen werde die EU-Kommission wegen der Tragödie in Asien nachdenken. Frattini will prüfen, ob eine "zeitweilige Adoption" - ähnlich einer Aufnahme in Pflegefamilien - für manche Flutwaisen infrage kommt. (DER STANDARD Printausgabe 7.1.2005/APA/dpa)