Österreichs Banken sehen weiterhin keinen Trend zum "Angstsparen".

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Wien - In Österreich ist im Jahr 2004 die Zahl der Jobsuchenden auf den höchsten Wert in der Zweiten Republik angestiegen. Österreichs Banken sehen trotzdem weiterhin keinen Trend zum "Angstsparen". Das Sparverhalten der Österreicher (Privathaushalte) hängt in erster Linie von der persönlichen Einkommensentwicklung und von den realen Sparzinsen ab. Unsicherheitsfaktoren wie Inflation und Arbeitslosigkeit haben dagegen einen geringen Einfluss auf die Sparentscheidungen der privaten Haushalte, schreibt Thomas Karall von der Erste Bank Volkswirtschaft in einer aktuellen Analyse. Auch die Demografie spielt eine Rolle in der Entwicklung nationaler Sparquoten, und zwar eine negative: Je älter die Bevölkerung wird, umso geringer die Sparquoten.

Derzeit liege die heimische Sparquote (Verhältnis von Sparen zu verfügbaren Einkommen) weit unter dem langjährigen Durchschnitt. In Österreich und in anderen Industrieländern war in den letzten Jahrzehnten eine rückläufige Sparquote der privaten Haushalte zu beobachten, im Detail von 12,6 Prozent von 1970 bis 1979 auf im Schnitt rund 8 Prozent in den Jahren 2000 bis 2002. Neuere Zahlen werden nicht mehr genannt, weil durch eine Neuberechnung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in diesen Monaten auch eine Neuberechnung der Sparquoten aktuell und rückwirkend erfolgen muss. Die Datenrevision wird im ersten Halbjahr 2005 erfolgen.

Maximales Wirtschaftswachstum bei "optimaler Sparquote"

Aus makroökonomischer Sicht, so Karall, spricht man von einer "optimale Sparquote", wenn maximales Wirtschaftswachstum erreicht wird. Stelle man die Höhe des Kapitalstocks, die Staatsschuld und das Geldvermögen der privaten Haushalte gegenüber, so komme man in Österreich zu dem Ergebnis, dass "das nationale Sparaufkommen eher zu gering als zu hoch einzuschätzen ist".

Die Sparquote der privaten Haushalte erreichte der Analyse zufolge (Basis: bisherige Berechnungen, von denen die Neuberechnungen z.T. abweichen dürften) mit ca. 15 Prozent im Jahr 1991 einen Höchstwert. Innerhalb von sechs Jahren halbierte sie sich und fiel auf einen historischen Tiefstand von 7,4 Prozent. Seither deute nichts darauf hin, dass sich das private Sparen wieder dem durchschnittlichen Niveau der Vergangenheit (1960 bis 2002: rund 11,3 Prozent annähern wird. In vielen anderen Ländern sei eine ähnliche Entwicklung zu beobachten. In den USA, Japan, Deutschland, Kanada, Australien, Italien und Großbritannien haben sich die Sparquoten bis 2002 zum Teil besonders deutlich zurückgebildet.

Steuer- und Sozialversicherungssystem

Auch das Steuer- und Sozialversicherungssystem beeinflusst das Verhalten der Sparer: indirekte Besteuerung begünstigt das Sparen, direkte Steuersysteme dämpfen es, so die Erste Bank-Ökonomie. Einleuchtend, dass höhere staatliche Transfers zu vergleichsweise geringerem Sparen führten. "Denkmöglich" sei demnach eine vermehrte Sparanstrengung der privaten Haushalte bei einer zunehmend angespannten öffentlichen Finanzlage.

Auch die Demografie spielt eine Rolle: Während der Erwerbszeit wird Vermögen aufgebaut, das dann in der Pensionszeit abgebaut wird, um das Konsumniveau aufrecht zu erhalten. "Eine Überalterung der Bevölkerung führt demnach zu einer niedrigeren Sparquote".

Weiterer Rückgang der Sparquote zu erwarten

Wenn die Babyboom-Generation mit derzeit hohem Einkommen und Sparaufkommen in den nächsten Jahrzehnten aus dem Erwerbsleben ausscheidet, ist in den Augen der Volkswirtschafter auf längere Sicht ein weiterer Rückgang der Sparquote zu erwarten.

Die Erste Bank-Volkswirtschaft verweist auf Berechnungen der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), wonach die Sparquote bei einem Anstieg des realen Einkommenswachstums um einen Prozentpunkt kurzfristig um 0,61 Prozentpunkte zunimmt, längerfristig dann um ungefähr einen Prozentpunkt.

Zinsen

Relativ stark reagieren die privaten Haushalte auf die Höhe der Zinsen: Bei einer Erhöhung des Realzinssatzes um einen Prozentpunkt steigt die Sparquote kurzfristig um etwa 0,69 Prozentpunkte, langfristig sogar um 1,16 Prozentpunkte.

Der neben der Inflation zweite Unsicherheitsfaktor, die Arbeitslosenrate, wirke nicht signifikant. "Es gibt für Österreich keinen statistisch messbaren Einfluss der Arbeitslosenquote auf die Sparquote", so Karall. Soziale Absicherungsmaßnahmen machen in Österreich wohl das so genannte "Vorsichtssparen" nicht in dem Ausmaß notwendig wie in Ländern mit einem weniger gut ausgebauten Sozialnetz.

Einfluss aufs Sparverhalten der Bürger hat die Budgetpolitik der Regierung: Bei steigendem Budgetdefizit bzw. sinkendem Budgetsaldo sparen die privaten Haushalte stärker. Resümee der Ökonomen: Offenbar berücksichtigen die Haushalte die öffentliche Verschuldung und nehmen zukünftige Steuererhöhungen vorweg. (APA)