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Musicalsänger David Soul verleiht der "Schande" Stimme und Gewicht.

Foto: APA/EDMOND TERAKOPIAN
"Jerry Springer - The Opera" läuft seit über drei Jahren mit Erfolg an einem Londoner Theater, doch jetzt kommt das Musical ins Fernsehen und treibt die Kirche auf die Barrikaden. Denn wo Springer ist, fliegen die Fetzen, manchmal auch Stühle und Fäuste.

Die Talkshows des Amerikaners provozieren - schon wegen schriller Titel wie "Meine Mutter nahm mir meine lesbische Freundin weg". Manchmal enthüllen die Gäste nicht nur ihr Sexleben, sondern auch ihr Hinterteil.

Nichts Neues, nur sorgt Springer jetzt für transatlantischen Streit. Mit einem Musical, das eine typische Talkrunde beschreibt: "Jerry Springer - The Opera". Ein Stück, in dem nicht nur Adam und Eva zu Wort kommen, sondern auch Jesus Christus und der Erzengel Gabriel. Im zweiten Akt spielt David Soul, der Jerry-Springer-Darsteller, keinen Geringeren als Gott. Jesus wiederum trägt zeitweilig Windeln und bekennt, "ein bisschen schwul" zu sein.

Im West End geht das preisgekrönte Musical bereits seit gut drei Jahren über die Bühne, und wenn bislang jemand Anstoß nahm, dann unhörbar. Nun, da die BBC die Springer-Komödie einem breiteren Publikum zeigen möchte, steigt die anglikanische Kirche auf die Barrikaden.

"Blasphemie!", wettert Nigel McCulloch, der Bischof von Manchester. Ein öffentlich-rechtlicher Sender, der derart anstößiges Material sende, lasse die Gebührenzahler im Stich. Reverend David Hilborn, Sprecher der Evangelical Alliance, sieht Grundregeln des Anstands verletzt. In der Londoner Senderzentrale glühen die Telefondrähte. Mehr als 15.000 Zuschauer haben sich vorab beschwert. Dabei ist nicht ganz klar, was heftigere Proteste heraufbeschwört: Springer als Gott oder die rüde Sprache?

Kritiker zählten nach: Im Lauf der Show wird exakt 3168-mal deftig geflucht, weitere 297-mal abgeschwächt. Auf englischen Straßen kann man das allüberall hören, die Zeitungen aber drucken Vulgäres mit Sternchen anstelle der Buchstaben. Besonders gern tut das die "Sun", die ihre Existenz Krawallen verdankt, andererseits Springers Flüche am penibelsten mitzählt.

Demnächst muss sich die BBC mit Tony Blairs Kabinett auf eine neue Zehnjahreslizenz einigen - da passt es ihr nicht, selbst Gegenstand kontroverser Debatten zu sein. "Bloß nicht nachgeben!", fordert Terry Sanderson von der National Secular Society, einer Gesellschaft, die säkulare Briten vertritt: "Religiöse Tyrannen" wollten bestimmen, "was wir in diesem Land sehen und sagen dürfen". (DER STANDARD, Printausgabe, 11.01.2005)