Foto: Lutz

Da hängen sie nach dem beruflich erfolgreichen und emotional aufwühlenden Tag dann immer herum, die gestylten Menschen aus den Bostoner Anwaltsbüros, begrüßen den Abend mit einem entspannenden Cocktail und sind von guter Musik sowie urbanem Groove umgeben. Wie sich der kleine Hansi, der sich gerne Erfolgsserien ansieht, die Weltstadt halt vorstellt.

Im neuen "Lutz, die Bar" ist dieses Gefühl jedenfalls Wirklichkeit, und auch wenn sich das Lokal in unmittelbarer Nähe von "Interio" und "Leiner" befindet, hat es in diesem Falle nichts mit dem gleichnamigen Möbel-Diskonter zu tun, sondern eher mit Vater Hansheinz und Sohn Jürgen Lutz, Ersterer Statistik-Professor an der Uni Wien, Zweiterer Versicherungsunternehmer. Was dieses Lokal von anderen Lokalen auf jeden Fall unterscheidet, ist die Tatsache, dass es sich im ersten Stock befindet, dass das gründerzeitliche Stiegenhaus mit wunderschönen schmiedeeisernen Geländern Teil des Etablissements ist und dass man in Folge aus dem "Lutz" hinunter auf den schönsten Teil der Mariahilfer Straße schauen kann.

Das Design der geräumigen Lounge-Bar stammt von dem gastronomisch bisher noch nicht aktiven Büro A2K, man kombinierte bewährte Elemente wie Industrieparkett, Leder-Fauteuils, Spiegel und erhöhte Sitzpulte, insgesamt wird jedenfalls eine äußerst angenehme und stimmige Atmosphäre erzielt, die das Lounge-Klischee sehr gelungen interpretiert.

Sergio Bellino konzipierte eine überschaubare Auswahl an Bar-Food

Dass bei aller Coolness eine pure Bar in Wien aber nicht funktioniert, wusste Familie Lutz offenbar und dachte neben einem gut sortierten Angebot an Standard-Cocktails und ein paar sympathischen Weinen daher auch an feste Nahrung. Küchenchef Sergio Bellino konzipierte also eine überschaubare Auswahl an Bar-Food, klein und spannend genug, um den Appetit anzuregen, groß genug, um als echtes Essen durchzugehen: "Asagio"-Salat - Gurke, Apfel und Sellerie in Kugelform, mit ein paar Stückchen Butterkäse und erfrischendem Orangen-Dressing, klingt eigenartig, schmeckt aber genauso bezaubernd, wie es aussieht (€ 4). Die derzeit unvermeidliche Kürbissuppe überrascht mit individueller Würzung und Croutons mit Kürbiskernöl (€ 3,20), ein Hühner-Pancetta-Spieß auf Portweinschalotten erweist sich als äußerst geschmackvoll zwischen salzig und süß - das ist Barfood jenseits der langweiligen Club-Sandwiches (€ 5,20). Auch die Polenta-Taler mit gebratenem Gemüse und Muskat-Creme aromatisch und gut (€ 5), die Garnelen mit dem Risotto waren vielleicht ein bisschen beliebig, der Risotto aber immerhin außergewöhnlich gut (€ 7,60).

Um dieses Geld kann man normalerweise nur in der Mensa essen, "wir wollen nicht unverschämt sein", meint Geschäftsführer Wolfgang Koppensteiner. Dass das "Lutz" in Zukunft dennoch umgangssprachlich "Kofferzentrale" genannt wird, ist angesichts der Tatsache, dass es sich genau über dem so benannten Gepäckstücke-Geschäft befindet, zwar zu befürchten. Damit wird die schöne Bar mit toller Aussicht und gutem Essen aber leben können. (Der Standard/rondo/Florian Holzer/22/10/2004)