Manchmal wirkt die Realität, die einen Menschen unmittelbar betrifft, unwirklich. "Ich schau immer wieder in einem Café CNN und sehe diese Bilder von Thailand - ein Wahnsinn", erzählt der Grazer Dieter Schmidt. Dabei sitzt der 62-Jährige nicht Zuhause im Wohnzimmer, sondern in Patong auf der thailändischen Insel Phuket, wo er den Tsunami unverletzt überlebt hat - der STANDARD berichtete. Während die Flutwelle erst vor zwei Wochen den gesamten Strand, am Wasser liegende Hotels und Teile der Innenstadt zerstört hatte, ist der Strand teilweise schon wieder in Betrieb. "Die Leute haben noch am Tag der Katastrophe mit den Aufräumungsarbeiten begonnen. Sie leben vom Tourismus. Eigentlich wäre es die größte Hilfe für die Menschen hier, wenn die Touristen wieder kämen."

An eine sofortige Abreise nach der Katastrophe dachte Schmidt selbst nie. Jetzt hat er sogar beschlossen, seinen Aufenthalt um einige Wochen zu verlängern. Der ehemalige Elektrounternehmer, der seit Dezember pensioniert ist, fährt nun mit einem in Thailand lebenden Engländer und einigen Thailändern umher und hilft, zerstörte Gebäude und Überlandleitungen wieder aufzubauen. Der beschauliche, entspannende Urlaub mit seiner Lebensgefährtin mutierte freilich zu etwas völlig Anderem: Zu einer Erfahrung, die man vor Ort vielleicht am besten bewältigt.

"Mir fehlt ja körperlich nichts. Aber schlafen kann ich nur ganz schwer. Mir fallen immer wieder Dinge ein, die ich gesehen habe. Zum Beispiel 37 Leichen, die aus einem Supermarkt herausgetragen wurden. Die Menschen sind dort drinnen wie in einer Falle ertrunken. Wir lernen oft Österreicher kennen, die noch hier sind, dann erzählt man sich, wie man die Flut erlebt hat und redet und redet." (DER STANDARD; Printausgabe, 12.1.2005)