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Joschka Fischer.

Foto: APA/dpa/ Michael Hanschke
Es gibt keine ausgelassene Party, stattdessen ein Arbeitstreffen der Bundestagsfraktion: Die deutschen Grünen werden heute 25 Jahre alt und kaum einer merkt es. Immerhin: Ein kleines Geburtstagsgeschenk kommt in Form einer Forsa-Umfrage. Zum ersten Mal seit Herbst 2002 liegen Rot-Grün und Schwarz-Gelb wieder gleichauf. Das große Ziel der Grünen, 2006 mit der SPD weiterzuregieren, ist somit wieder näher gerückt.

Damals, vor 25 Jahren, wurde in der überfüllten Karlsruher Stadthalle kein Gedanke an derartige Planspiele verschwendet. Der bunte Haufen war zunächst in Latzhosen und mit Sonnenblumen angetreten, um die Welt zu verändern – als eine "Anti-Parteien-Partei", wie es Gründungsmitglied Petra Kelly formulierte. Für Umweltschutz waren die Revoluzzer, für Frieden, für Gerechtigkeit und natürlich gegen Atomkraft.

Herzinfarkt

Als sie 1983 zum ersten Mal in den Deutschen Bundestag einzogen, fühlten sich viele Konservative dem Herzinfarkt nahe: Plötzlich war das Hohe Haus von stillenden und strickenden Müttern, von Schlabberpullovern und wallenden Haarmähnen bevölkert. Und noch viel schlimmer: Ein gewisser Joschka Fischer nannte den Vizepräsidenten des Bundestags "ein Arschloch".

Doch das selbstbewusste Auftreten konnte nicht die Probleme der jungen Partei überdecken: Endlose innerparteiliche Auseinandersetzungen zwischen "Fundis" und "Realos" oder der Streit um die Rotation – das Verhältnis zwischen gewählten Abgeordneten und ihren Nachfolgern.

1990 flog der westdeutsche Teil wegen mangelnder Begeisterung für die Einheit aus dem Bundestag, die Ost- Grünen mussten bis 1994 alleine die Stellung halten. Auseinandersetzungen

Danach taten die Grünen immer häufiger das, was ihre Gründer verabscheut hatten: Kompromisse eingehen und sich anpassen. Einen Wandel von "konfrontativen zu Gestaltungsgrünen" nennt Vorsitzender Reinhard Bütikofer diese Entwicklung. Besonders hart wurden die Auseinandersetzungen, als die Ökopartei 1998 in die Regierung eintrat und somit endgültig zu jenem Establishment wurde, das sie früher bekämpft hatte.

Ob Kosovokrieg; Atomausstieg, oder Rüstungsexporte – der inoffizielle Parteichef Fischer schaffte es jedes Mal, die Seinen auf Linie zu bringen und die Koalition zu sichern. Stets schwang dabei die Drohung mit: Wenn wir nicht an der Regierung bleiben, dann kommt wieder die Union und alles wird noch viel schlimmer.

Ohne ihn, den beliebtesten und schillerndsten Politiker Deutschlands, hätten die Grünen weit weniger Einfluss und das wissen sie. Widerstand gegen den Kurs der Realos gibt es kaum noch. Einzig der "Altlinke" Christian Ströbele aus Berlin-Kreuzberg gibt noch manchmal das soziale und pazifistische Gewissen der Partei. Aber daran haben sich auch schon alle gewöhnt.

"Normale" Partei 2005, im Jahr vor der Bundestagswahl, sind die 25-jährigen Grünen längst nicht mehr so bunt wie zu Beginn. Doch als mittlerweile "normale" Partei sind sie gut aufgestellt. Im vergangenen Jahr konnten sie bei den meisten Wahlen zulegen, der Ärger über Hartz IV prallte an ihnen ab. Schließlich ist von den Arbeitsmarktreformen weniger die grüne Klientel betroffen als jene der SPD. Im Gegensatz zur Union gibt es bei den Grünen gerade keinen Streit, was sich in guten Umfragewerten von zehn Prozent niederschlägt. Um dies zu halten, müssen die Grünen 2005 eine Gratwanderung schaffen: die zögerliche SPD zu weiteren Reformen drängen, ohne sie zu verärgern. (DER STANDARD, Printausgabe, 13.1.2005)