Grafik: DER STANDARD
Eigentlich wäre es ein Gebot der Pflicht, als Zufallskolumnistin sich oben auf den Tsunami-Wellenkamm zu setzen, wenn die größte Geldbewegung der letzten fünf Jahre jeden Profilierungssüchtigen im In- und Umland mit sich reißt. Ich könnte erzählen, dass ich als Hilfs-Ethnologin sehr mit den friendly und den unfriendly Andamans sympathisiere. Die friendly Andamans gibt es seit dem 19. Jahrhundert nicht mehr, sie waren zu friendly und haben Fremde gleich in ihr Bettchen eingeladen, worauf sie Syphilis dahinraffte. Die unfriendly Andamans haben draus gelernt und Fremde gar nicht mehr auf ihr Inselchen gelassen. Vermutlich bekommen sie jetzt als Quittung keinen einzigen Benefizgala-Groschen. Ich könnte jetzt einen Fonds "Unfriendy spenders for unfriendly Andamans" gründen und dem hartnäckigsten Spendenfeind ans Herzfett gehen.

Halt! Diese Kolumne entwickelt eine gefährliche Eigentsunamik. Ich wollte nämlich über viel gefährlichere Flüssigkeiten schreiben. Ich hab nämlich meine Weihnachtsferien in Bayern vergeudet, und da gibt es den Blutwurz. Natürlich ist es beispiellos, wie die Flut das Leben bereichert hat, also ich meine nicht nur die Deutschen, die endlich richtig viel spenden wollten, auch die Fernsehanstalten! Ich hab ganz viel Nachrichten geguckt und, glauben Sie mir, ohne Tsunami hätten die dichtmachen können, so wenig ist sonst passiert. Die Sender haben sich bestimmt saniert. Ohne die geringste kreative Eigenleistung, ein Seufzer hier, ein unterdrückter Radetzky-Marsch da genügte.

Kreativität ist eh das Letzte, erzählte mir ein irre fescher Staatskünstler kürzlich beim Blutwurz. Keiner will kreative Leute. BLUTWURZ kommt übrigens aus Bayern. Jeder denkt immer, in Bayern gibt's nichts außer BMW-Katholizismus, doch halt! Es gibt außerdem noch Blutwurz. Blutwurz heißt botanisch potentilla erecta. Und er heilt nicht das, was Sie jetzt annehmen müssen, sondern er hilft bei Zahnfleischerkrankungen. Dazu muss man ihn zwei, drei Minuten im Mund behalten. Das ist nicht einfach, weil dann kann man nicht mit dem Mit-Blutwurz-Trinker plaudern. Der sagt dann was Provokantes, und schon fühlt man sich bemüßigt zu antworten und schluck, kann der Blutwurz seine Heilkraft an Dick- und Dünndarm austoben.

Blutwurz hat 50 Prozent Alkoholgehalt, und Gespräche mit Blutwurz sind seltsam. Nach einigen Blutwurzen braucht man drei Minuten, um Blutwurz korrekt auszusprechen. Erst sagt man immer Blutwurst, das ist falsch, man möchte das richtig stellen, und das dauert seine Zeit. Dann möchte man vieles andere richtig stellen, vor allem, wenn ein ziemlich fescher Blutwurzbruder neben einem sitzt und das Blutwurzetikett vorliest. BLUTWURZ kommt aus Lalling, von einem gewissen Herrn Duschl. Wer nicht das Etikett liest, sagt Sachen, die man gar nicht sagen will. Dass Sex gar nicht wichtig sei und dass es viel schönere Dinge gäbe wie Respekt und Freundschaft und so. Danach muss ich aus Scham über diesen Blödsinn in eine gnädige Ohnmacht gefallen sein. Ja, das ist der Blutwurz vom Herrn Duschl aus Lalling. Ihre Cosima Reif , Zufallskolumnistin (Der Standard/rondo/14/01/2005)