Wien - "Aus heutiger Sicht erscheint es nur schwer verständlich, warum sich die SPÖ und mit ihr der BSA ausgerechnet dem Lager der ehemaligen Nationalsozialisten öffnete und anbiederte", schreiben die beiden Historiker Wolfgang Neugebauer und Peter Schwarz in ihrem Endbericht zur Rolle des "Bundes Sozialdemokratischer Akademiker" (BSA) bei der gesellschaftlichen Reintegration ehemaliger Nazis, der am Freitag vorgestellt wird.

Für das Buhlen um die Ewiggestrigen sieht Neugebauer zwei Motive: "Die spezifische Rolle des BSA lag darin zu versuchen, den Akademikermangel in der SPÖ wettzumachen", sagt er im STANDARD-Gespräch. Mithilfe der in den BSA aufgenommenen ehemaligen Nationalsozialisten sei es der SPÖ nach 1945 gelungen, wichtige Posten in der öffentlichen Verwaltung, aber auch der Wirtschaft mit qualifizierten Vertrauensleuten zu besetzen - in harter Konkurrenz zur ÖVP und zum CV. Dass man dabei nicht auf Rückkehrer aus dem Exil gesetzt habe, sei auch ein schwarzes Kapitel der SP-Geschichte. Neugebauer: "Man hat die Rückkehr nicht nur nicht unterstützt, man hat sie auch hintertrieben."

Erfordernis

Nicht der einzige negative Punkt, den Neugebauer und Schwarz herausgearbeitet haben: "Arg ist auch die Brutalität, wie damals auch eben für ehemalige Nationalsozialisten seitens der SPÖ interveniert wurde. Da hieß es: ,Der Herr soundso wird das!' Und: ,Wieso ist das noch nicht passiert?'" Wie die SPÖ sei es aber genauso bei der ÖVP ein "dringendes Erfordernis", sich auch der Frage der Interventionen in dieser Zeit zu stellen.

Auslöser für die Arbeit der Historiker war der Fall des NS-Psychiaters Heinrich Gross gewesen, der nach 1945 mithilfe des BSA und der SPÖ Karriere machen konnte.

Interventionen auch von der ÖVP-Spitze

Die SPÖ sei aber freilich nicht die einzige politische Kraft, die betroffen ist. Bei den Recherchen sei man auch auf zahlreiche Interventionen von ÖVP-Funktionären gestoßen. Vor allem im Justizbereich hätten die ÖVP-Spitzen mehr NS-Vertreter in hohe Posten gehievt als die SPÖ, meinte Schwarz. Als Intervenierer erwähnte er namentlich Leopold Figl, Alfons Gorbach und Julius Raab. Es gebe also auch in der ÖVP "Handlungsbedarf" hinsichtlich der Vergangenheits-Aufarbeitung.

Im Februar soll der Bericht der Bundes-SPÖ über deren Umgang mit ehemaligen Nazis nach 1945 vorliegen. Karl Duffek, Leiter vom Renner-Institut und in der SPÖ für dieses Projekt zuständig: "Das Jubiläumsjahr ist ein guter Moment, sich mit der eigenen Vergangenheit zu beschäftigen." (APA/DER STANDARD Printausgabe, 14.1.2005)