War es der Tsunami-Schock, der die USA und Europa nun politisch einander wieder näher brachte? Jedenfalls zogen in der Katastrophenhilfe beide, nach anfänglichen Unstimmigkeiten wegen der von Washington zunächst angezweifelten Führungsrolle der UNO, an einem Strang. Die Koordination zwischen der EU und den USA sei "beispielhaft" gewesen, sagte die Außenkommissarin Benita Ferrero- Waldner soeben in Washington. Sie sieht erstmals nach dem US-Alleingang im Irak eine "Gelegenheit zur Erneuerung" der Beziehungen - und ist damit nicht allein.

Zahlreiche Kommentatoren haben in den vergangenen Tagen Anzeichen für ein transatlantisches Tauwetter gesehen. Die USA und Europa traten gemeinsam für demokratische Wahlen in der Ukraine ein; beide setzen auf neue Nahost-Friedensinitiativen nach dem Tod Arafats. Und auch bereits schwelende Konflikte konnten beruhigt werden:

So legen die USA der Initiative Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens, den Iran in Verhandlungen zu einem Verzicht auf ein Atomwaffenprogramm zu bewegen, derzeit keine Hindernisse in den Weg. Vor wenigen Monaten hatte es noch so ausgesehen, als ob die USA sofortige UN-Sanktionen gegen den Iran und notfalls militärische Gewalt androhen würden.

Im Streit um die Milliardensubventionen für die Flugzeugbauer Airbus und Boeing haben sich Europa und die USA diese Woche darauf geeinigt, innerhalb von drei Monaten ein Abkommen auszuhandeln und Förderungen zu streichen. Der Konflikt hatte davor zu wechselseitigen Klagen vor der Welthandelsorganisation WTO geführt.

Weniger klar ist, wie die USA nun zum Plan der EU-Regierungschefs stehen, das Waffenembargo gegen China aufzuheben. Der Außenbeauftragte Javier Solana erklärte zu Jahresbeginn in Washington, dass das Embargo nur durch einen strengen "Verhaltenskode" ersetzt werden soll, er habe den Eindruck, dass die USA "damit leben könnten". Doch US-Senatoren, die um die Sicherheit Taiwans besorgt sind, zeigen sich noch keineswegs überzeugt.

In weiteren Streitfragen (Kioto-Klimaprotokoll, Internationaler Strafgerichtshof) ist überhaupt keine Annäherung zu erwarten. Allenfalls Einreiseerleichterungen für häufige USA-Besucher aus Europa könnte es demnächst geben. Gegen den sinkenden Dollarkurs, der den Exporten der Euroländer schadet, sind keine Initiativen Washingtons zu erwarten.

Die spielen sich derzeit vor allem im Atmosphärischen ab. So wird Präsident George W. Bush gleich nach dem Beginn seiner zweiten Amtszeit, am 22. Februar, die EU-Zentrale in Brüssel besuchen. Auch ein Besuch von Frankreichs Präsident Jacques Chirac, dem bisher bestgehassten Verbündeten, in den USA ist geplant.

Ob da mehr als freundliche Rhetorik herauskommen wird, ist offen. Manche machen allerdings bereits günstige Vorzeichen aus. So erinnert der britische Economist daran, dass die neue Außenministerin Condoleezza Rice und ihr künftiger Vize, der schon bisher einflussreiche Handelsbeauftragte Robert Zoellick, in der Zeit vor 9/11 als Anhänger einer engen Kooperation mit den Bündnispartnern hervorgetreten sind.

Nun ist es zwar wahr, dass Rice als Sicherheitsberaterin Bushs zumeist einer Meinung mit den Hardlinern Cheney, Rumsfeld und Wolfowitz war, hinter denen Neokonservative stehen, die den lästigen Konkurrenten EU am liebsten zerstören würden. Aber die großspurige Politik der Hardliner nach dem Motto "Machen wir es allein, die anderen werden schon sehen" hat sich angesichts des im Irak trotz hoher Opfer ausgebliebenen Erfolgs ad absurdum geführt. So halten es Washington-Insider für möglich, dass Bush, Rice & Co künftig eine pragmatischere Linie einhalten werden.

Wenn sich das bewahrheitet, könnte Europa in den USA zugänglichere Gesprächspartner erwarten - allerdings zu einem Preis. Von der EU wird verlangt werden, nach den Wahlen im Irak dort einen großzügigen Beitrag zum Aufbau des Landes zu leisten. (DER STANDARD, Printausgabe, 15./16.1.2005)