Im gleichen Ausmaß, in dem eine Region - sagen wir die Steiermark mitsamt ihrer Hauptstadt - an kulturellem Eigenwert und kulturpolitischem Selbstwertgefühl verliert, versucht sie diesen Defekt durch epigonale Nachäffungen großstädtischer Kulturrituale auszugleichen.

Als ein gerade aktuelles, wenn auch harmloses Beispiel für diese in Graz schon seit Längerem erwachte linkische Großstadtsucht mag das neuerdings regelmäßig veranstaltete und auch an diesem Samstag - ab 20.30 Uhr in der Oper - wieder stattfindende, in Graz Opernredoute genannte Imitat des Wiener Opernballs gelten.

Als weniger harmlos erweist sich da schon eine andere epigonale Untat der steirischen Kulturpolitik, die darin bestand, die Vereinigten Bühnen Graz nach dem Muster der österreichischen Bundestheater umzustrukturieren.

Vorbild Bundestheater

Im Fall der Bundestheater mochte diese Maßnahme fürs Erste noch einigermaßen sinnvoll erscheinen. Immerhin hatte der alte Bundestheaterverband 3000 in den unterschiedlichsten Bereichen tätige Mitarbeiter, und die kameralistische Verwaltung dieses Verbandes machte es den einzelnen Bühnen unmöglich, selbstständig zu wirtschaften und allfällige Budgetüberschüsse in Form von Rücklagen anzusammeln.

Dies war bei den Grazer Bühnen nicht der Fall. Ihr Rechnungssystem war wirt-schaftlich orientiert. Die Bildung von Rücklagen war möglich. Innerhalb von drei Jahren konnten die Bühnen über ihr Budget selbstständig verfügen.

Überdies lässt allein der Unterschied zwischen den Dimensionen des Bundesthea-terverbandes und der Grazer Bühnen deren Neustrukturierungen als einen beispiellosen Akt amusischer kulturpolitischer Willkür erscheinen.

Vier Gesellschaften

So sind in Graz nun für die insgesamt 600 Beschäftigten vier verschiedene Gesellschaften mit beschränkter Haftung zuständig. Eine für die Oper mit Jörg Kossdorf als Geschäftsführer, eine für das Schauspielhaus mit Matthias Fontheim an der Spitze, die dritte unter Michael Schilhan für Next Liberty und ganz nach Wiener Muster eine von Michael Tomec gelenkte Theaterservice Ges.m.b.H.

Damit ist der 1,16 Millionen teure Strukturjux allerdings noch lange nicht zu Ende. Über allen Genannten thront Peter Nebel, der ehemalige Verwaltungsdirektor der Grazer Bühnen, mit sechs Mitarbeitern als Chef einer Holding. Damit nur ja nichts passiert, gibt es natürlich auch einen für alle vier Gesellschaften zuständigen Aufsichtsrat, dem unter dem Vorsitz des einstigen Bregenzer Festspielchefs Alfred Wopmann noch Richard Mayer aus der Kulturabteilung des Landes und Landesrat Wolfgang Erlitz sowie der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl und sein Kulturstadtrat Christian Buchmann angehören.

Damit aber nicht genug, gibt es obendrein auch noch einen politischen Lenkungsausschuss, bestückt mit Waltraud Klasnic, deren Finanzlandesrätin Kristina Edlinger-Ploder, Theresia Zierler (FP) und Franz Voves (SP) seitens des Landes, als Vertreter der Stadt ebenfalls wieder der Bürgermeister und Kulturstadtrat Buchmann sowie Wolfgang Riedler, Karlheinz Herper (SP) und Hermann Pucher als unabhängiger Wirtschaftssach-verständiger.

Was in den Glanzzeiten des Grazer Theaters der kaum zehnköpfige Theateraus-schuss durchaus zu erledigen vermochte, droht sich nun in einem unübersichtlichen Gestrüpp von Zuständigkeiten und Unzuständigkeiten zu verfangen. Was vor allem auf der Strecke bleibt, ist der für jeden Theaterleiter mühsame wie trotzdem unbedingt erforderliche sachliche Kontakt mit den für die Kulturbelange zuständigen Politikern.

Dass bei Letzteren das Bedürfnis nach derlei Fühlungnahmen nicht sonderlich aus-geprägt ist, wird durch das trojanische Budgetpferd verständlich, mit dem sie diese Neustrukturierung zierten.

Wohl haben sie bis zum Jahr 2011 eine Anhebung der Zu-schüsse nach dem Verbraucherpreisindex zugesagt. So großzügig sich dies anhört, so kommt dieses scheinheilige Versprechen doch einer bewusst oder - angesichts der Kompetenzlage der in der Steiermark gegenwärtig für das Kulturgeschehen politi-schen Verantwortlichen und deren Berater - vielleicht wirklich unbewusst eingeleiteten, schleichenden Lahmlegung des Bühnenbetriebes gleich.

Weniger Budget

Da die zu erwartende Steigerung der Personalkosten, die Erhöhung von Material-, Transport- und Energiekosten weit über den von den Subventionsgebern veranschlagten Budgetanhebungen liegt, kalkuliert die Grazer Oper (ihre gegenwärtige Auslastung liegt bei 80 Prozent) schon jetzt für die Saison 2006/7 mit einer Verringerung ihrer für künstlerische Vorhaben verfügbaren Mittel um eine halbe Million Euro. Lediglich eine Spielzeit später könnte sich dieser Abgang noch verdoppeln.

Und man braucht kein großer Mathematiker zu sein, um zu errechnen, wann die Opernredoute das Einzige sein wird, das sich die steirische Kulturpolitik noch leisten möchte. (DER STANDARD, Printausgabe, 15./16.01.2005)