Wien - Wo liegen die Chancen, was ist die Bedrohung? Bei der geplanten EU-Dienstleistungsrichtlinie, die den grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr liberalisieren und dem "Herkunftslandprinzip" unterordnen soll, werden Extrempositionen bezogen.

Die Wirtschaftskammer Österreich sieht in dem Brüsseler Vorhaben vor allem enormes Wachstumspotenzial. Das Herkunftslandsprinzip, das den jeweiligen, etwa polnischen Dienstleistungsanbieter nur mehr den polnischen, nicht aber den österreichischen Standards unterwirft, werde durch vielerlei Ausnahmen etwa im Arbeits- und Sozialrecht ohnehin nicht so heiß gegessen, wie von den Kritikern (auf)gekocht.

"Wettlauf nach unten"

Die angesprochenen Gegner aus Gewerkschaften, Ländern, Gemeinden sowie globalisierungs- und EU-kritischen Organisationen wie Attac bleiben dabei: Die Richtlinie, die im Herbst dieses Jahres beschlossen werden soll, führe bei Qualitäts-, Umwelt- und Standards aller Art zu einem beispiellosen "Wettlauf nach unten".

Auch die Kontrolle der Lohn- und Sozialversicherungsbedingungen obliege nicht mehr dem Tätigkeitsland, sondern dem Herkunftsland. Nicht umsonst forderten die Landtage in Eisenstadt und Salzburg die Bundesregierung in Vier-Parteien-Beschlüssen dazu auf, die EU-Richtlinie nicht umzusetzen.

Demgegenüber sagt die Wirtschaft: Schon heute sind Dienstleistungen für zwei Drittel des Wohlstandes verantwortlich. Der "nötige" Abbau von Zulassungs- und "Handelshemmnissen" würde Österreichs Dienstleistungsexporte um nahezu 30 Prozent steigen lassen, rechnet Reinhold Mitterlehner, stellvertretender Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich, anhand einer niederländischen Studie aus dem Herbst 2004 vor.

Dienstleistungsexporteur

Etwa bei technischen Planungen oder im Design sei Österreich ein starker Dienstleistungsexporteur. Mehr Importe seien zwar bei Reinigungs-, Sanitäts- oder Wachdiensten, ebenso bei Baudienstleistungen zu erwarten. Unterm Strich würde das österreichische Bruttoinlandsprodukt nach Umsetzung der Richtlinie jedoch einen "Einmalschub" von bis zu drei Prozent erfahren.

Dabei ist die Kammer selbst mit etlichen Details der Richtlinie unzufrieden, etwa in der Rechtsdurchsetzung oder mit immer noch nicht definierten Mindeststandards der Berufsausübung. (Michael Bachner, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.01.2005)