Doraja Eberle
Doraja Eberele ist ÖVP-Familienlandesrätin in der seit April 2004 amtierenden Salzburger Landesregierung. Gleich zu Beginn kam es in der Koalition mit der Salzburger SPÖ zum Streit über die Öffnung der Landeskrankenhäuser für Abtreibungen. Mit die Standard.at sprach die Familienpolitikerin über die Fristenlösung, das "selbstverständliche Abtreiben", den Vergleich der Abtreibung mit dem Holocaust und eine Beratung für betroffene Frauen, wie sie sie sich vorstellt.

dieStandard.at: Sie fühlen sich von den Medien falsch dargestellt. Woran liegt das?

Doraja Eberle: Zum einen ist speziell beim Thema Abtreibung immer Pro und Contra gefragt. Wenn sich die Positionen annähern, ist das für die Medien schon längst nicht mehr so interessant. Zum anderen habe ich auch selbst Fehler gemacht, weil ich mich zu Beginn meiner Amtszeit sehr stark exponiert habe. Im April 2004 habe ich bei einer Pressekonferenz gesagt: 'Ich bin radikal gegen Abtreibung.' Das 'Gegen' und das 'Radikal' hat natürlich viele empört, gemeint habe ich es aber anders.

dieStandard.at: Warum ist ÖVP speziell gegen Abtreibungen in Landeskrankenhäusern?

Doraja Eberle: Die ÖVP sollte, und das meine ich auch sehr kritisch meiner eigenen Partei gegenüber, christliche Werte vermitteln. Das bedeutet nach meiner Interpretation, dass Abtreibungen nicht von der öffentlichen Hand, also in Landeskrankenhäusern, durchgeführt werden sollen. Ich bin Realistin und nehme zur Kenntnis, dass es Abtreibungen gibt, die auch in öffentlichen Krankenhäusern sowie Ambulatorien durchgeführt werden, aber meine Aufgabe ist es, als sozial denkende Politikerin menschenwürdige Alternativen zur Abtreibung zu suchen und das tue ich, gemeinsam mit vielen anderen, seit Beginn meiner Tätigkeit als Regierungsmitglied.

dieStandard.at: Das LKH soll aber auch billiger als Privatkliniken sein, damit der Eingriff sozial verträglicher wird ...

Doraja Eberle: Das ist ein wesentlicher Punkt, warum die Diskussion so falsch gelaufen ist. Wenn die SPÖ von Anfang an gesagt hätte, 'Uns ist die Abtreibung zu teuer, sie muss billiger werden', wären viele Dinge ganz anders gelaufen. Stattdessen wurde so getan, als ob die Frauen wegen der nicht vorhandenen Abtreibungsmöglichkeiten nach Linz oder Wien fahren mussten. Dagegen habe ich mich gewehrt. Außerdem stimmt es nicht, dass die veranschlagten 400 Euro für einen Eingriff kostendeckend sind. Warum kann die Landeshauptfrau nicht ehrlich sein, und zugeben, dass der/die SteuerzahlerIn hier mitzahlt? Hier wird nicht mit ehrlichen Karten gespielt.

dieStandard.at: Glauben Sie nicht, dass die Öffnung des Landesspitals für Abbrüche ein gesellschaftspolitisches Signal wäre, Abtreibung aus dieser schamhaften Ecke zu bekommen?

Doraja Eberle: Ich gebe ihnen Recht, dass der Umgang mit Abtreibung schamhaft besetzt ist. Das zeigt für mich aber nur, dass es für jede Frau, die von einer ungewollten Schwangerschaft betroffen ist, ein sehr schwieriger Schritt ist. Meine politische Verantwortung sehe ich darin, zwischen dem Verbot und der Kurpfuscherei einerseits und der 'selbstverständlichen Abtreibung' andererseits zu Lösungen zu finden, zu vermitteln und zu handeln. Die Öffnung der Landeskrankenhäuser ändert an diesem schamhaften Umgang aber nichts. Ob die Frau nun nach München fährt, zum Kurpfuscher, oder ins Landeskrankenhaus, es bleibt ein sehr persönliches, sensibles Erlebnis, das nie 'selbstverständlich' sein wird, denn es geht hier nicht um ihr Recht, sondern um sehr viel mehr.

Wenn also in den Medien zu lesen ist, an einem bestimmten Tag ist Abtreibung im LKH möglich, dann ist das kein Schutz dieser Frauen. Es macht ihnen den Abbruch nicht leichter. Das Stigma machen aber nicht wir, es ist in sich schon gegeben.

dieStandard.at: Wie kann dieses 'Stigma' gelöst werden?

Doraja Eberle: Indem ich verurteile, wenn eine Frau verurteilt wird - egal von wem. Es ist keine Doppelmoral und keine Zweideutigkeit, wenn ich Frauen, die abgetrieben haben, schütze, dennoch aber immer wieder darauf hinweise, dass Abtreibung ein Delikt ist, welches 12 Wochen straffrei gesetzt ist.

Warum soll dieses Thema aber so breit in der Öffentlichkeit abgehandelt werden? Betroffene Frauen wollen nicht darüber reden, und zwar nicht nur, weil sie Angst vor Verurteilung haben, sondern weil das auch ein zutiefst persönliches Thema ist, das höchstens noch mit dem intimsten Kreis besprochen wird, aber nicht mit Fremden. Insofern sehe ich es als Schutz der Frauen an, wenn man versucht aus der Abtreibung kein Medienthema zu machen.

Was Frauen wollen ist ein guter, leistbarer Eingriff, und eventuell noch eine Beratung über die möglichen Alternativen. Bei denjenigen Frauen, die das Kind behalten wollen, aber glauben, sie können es nicht, sehe ich meine politische Verantwortung. Diese Frauen will ich unterstützen, zum Beispiel finanziell.

Die Gesellschaft sollte sich auch immer wieder die Frage stellen, was so "sozial" daran ist, Frauen, die in einer großen Notlage sind, kostengünstige, leicht zugängliche und medizinisch sichere Abtreibungen anzubieten. Damit meine ich aber nicht, dass das Faktum der Abtreibung geleugnet werden soll.

dieStandard.at: Warum distanziert sich die ÖVP nicht spürbarer gegenüber den radikalen AbtreibungsgegnerInnen?

Doraja Eberle: Als 'radikal' werden in diesem Zusammenhang ja vor allem die 'extremen Katholiken' gesehen. Auf der anderen Seite haben wir aber auch radikale Tendenzen, die in der medialen Berichterstattung öfters unter den Tisch fallen. Ich habe mir als 'kritische' Christin lange überlegt, mich gegenüber anderen KatholikInnen zu distanzieren, die sich für das Leben einsetzen. Aber es ist nicht mein Weg mit Bannern auf die Straße zu gehen, und ich habe etwas dagegen, wenn 'Nächstenliebe' mit Fanatismus verwechselt wird. Es kann nicht dabei enden, zu sagen 'Ich habe ein Kind gerettet', ohne darüber nachzudenken, wie es dem Kind in den nächsten Jahren dann gehen wird. Dieser Fanatismus von beiden Seiten dient nur zu verhärteten Fronten, die niemandem dienen. Wie andere Leute das sehen, ist ihre Sache. Und ich will auch noch sagen, dass es quer durch alle Parteien unterschiedliche Meinungen zur Abtreibungsdebatte gibt.

dieStandard.at: In Wien ist man alarmiert, weil bereits ein 'Baby-Holocaust-Museum' eröffnet wurde. Auch offizielle Würdenträger der katholischen Kirche vergleichen in der Öffentlichkeit die Fristenlösung mit dem Holocaust. Was sagt die ÖVP dazu?

Doraja Eberle: Auch hier will ich für mich persönlich sprechen. Die ÖVP hat eine Linie, aber die wurde hart erkämpft. Hinsichtlich dieses Holocausts-Vergleichs muss man ehrlich sein. Jährlich werden weltweit 46 Millionen Abtreibungen durchgeführt, davon 17 Prozent in Europa. In Österreich redet man von 40.000 bis 80.000, es gibt ja keine Statistiken, sondern nur Hochrechnungen. Das ist viel, und dann kommen eben Vergleiche mit dem Holocaust.

dieStandard.at: Dafür muss aber zuerst ein Embryo mit einem Menschen gleichgesetzt werden und die Abtreibung mit einer Tötung.

Doraja Eberle: Ich kann nicht für andere sprechen, aber für mich beginnt Leben mit der Zeugung. Soviel anders hat man das übrigens damals bei der Einführung der Fristenlösung auch nicht gesehen. Die Abtreibung wurde auch von Kreisky immer als allerletzte Lösung beschrieben.

dieStandard.at: War die Drohung Haslauers, die Koalition platzen zu lassen, nicht auch "radikal"?

Doraja Eberle: Die Koaltionsfrage ist ja nun vom Tisch, das hat Wilfried Haslauer auch offiziell gesagt. Ich denke, man sollte das nicht überbewerten. Oft werden Dinge, vor allem, wenn man neu im Geschäft ist, zu schnell gesagt. Trotzdem waren wir uns einig, dass uns die Abtreibungsfrage ein sehr wichtiges Thema ist. Mein Weg während dieser Zeit war der, zu sagen: Wir können mehr für das Leben tun, wenn wir in der Koaltion bleiben. Letztlich hat sich diese Ansicht auch durchgesetzt.

dieStandard.at: Warum sprechen sie sich für Beratungsstandards aus? Es gibt ja bereits ein breites Angebot an Beratungsstellen

Doraja Eberle: Das ist richtig. Allein in Salzburg gibt es 26 verschiedene Beratungsstellen plus eine 24-Stunden-Hotline. Es muss also nichts neues erfunden werden. Ich sehe mich aufgrund meiner beruflichen Erfahrung und meiner langen Zusammenarbeit mit "Aktion leben" als jemand, die mit der Materie vertraut ist. Außerdem habe ich einen Arbeitskreis mit 12 betroffenen Frauen gegründet, die mir ihre Erfahrungen geschildert haben. Dadurch habe ich erfahren, dass es auch so etwas wie 'ungewollte Abtreibungen' gibt. Frauen werden genötigt, zum Beispiel von ihrem sozialen Umfeld oder sie befürchten finanzielle Engpässe. Dieser enorme Druck kann verhindern, dass sie selbst wissen, was sie wollen. Mit einer Beratung soll in dieser schwierigen Situation geholfen werden. Ich plädiere dabei auf eine Frist von drei Tagen zwischen Beratung und Eingriff, damit sich die Frau frei und ohne Druck von Außen ein Bild über Alternativen machen kann und eine gewissenhafte Entscheidung trifft. Ich plädiere also für eine ergebnisoffene Beratung unabhängig von der medizinischen.

dieStandard.at: Für die zusätzliche Beratung gibt es aber keine gesetzliche Grundlage.

Doraja Eberle: Das ist richtig. Die Erfahrung zeigt nur, dass es sinnvoll wäre, solche Fristen zu berücksichtigen.

dieStandard.at: Noch eine letzte Frage zur aktuellen Diskussion: Ist das Frauengesundheitszentrum ISIS eine abtreibungsbefürwortende Organisation?

Doraja Eberle: ISIS spricht sich klar für die Umsetzung der Fristenlösung aus. Meine kritischen Äußerungen gegenüber ISIS gehen auf einen Leserbrief zurück, in dem sie der Frau Landeshauptfrau gratulieren, dass sie die seit 30 Jahren bestehende Fristenlösung durchgesetzt hat. Daraus leite ich eine prinzipielle Bejahung der Abtreibung ab. Ich war der Meinung, dass ISIS die Beratung vor einer Abtreibung durchführen soll und habe dies abgelehnt. Nach einem klärenden Gespräch habe ich erfahren, dass ISIS zwar von Frau Landeshauptfrau Burgstaller beauftragt wurde, das Beratungskonzept zu erstellen, die Beratungen selber aber nicht durchführen wird.