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Das Titelbild des Bandes zeigt eine große Menschenmenge auf dem Heldenplatz in Wien. Nein, nicht die bewusste Szene 1938. Der Band handelt von der Zweiten Republik. Aber auch nicht das "Lichtermeer" im Jahr 1993 gegen das "Ausländervolksbegehren" Haiders (300.000 Teilnehmer), auch nicht die Demonstration gegen Schwarz-Blau im Februar 2000 (etwa 200.000), sondern das "Fest für Europa" vom Juli '98 anlässlich der EU-Präsidentschaft Österreichs. Auch wichtig, aber irgendwie nicht total repräsentativ.

Okay, dieser Band, herausgegeben von ORF-Chefredakteur und gestaltet von renommierten ORF-Mitarbeitern, sollte zum Jubiläumsjahr 2005 nicht allzu kontroversiell werden. Mück selbst schreibt im Vorwort, die "Konsensdemokratie" sei das Erfolgsgeheimnis seit 1945 gewesen. (Warum hat Schüssel sie dann ab 2000 sukzessive abgeschafft?) Unter anderem, weil der "Sozialstaat alter Prägung abgelöst" wurde, wie es in dem Band zur Wirtschaftspolitik heißt. Mit der Bemerkung: "Der Reformeifer des Kanzlers Schüssel könnte allerdings . . . durchaus zeitgeschichtliche Dimension erlangen." Wäre es auch etwas weniger pathetisch gegangen?

Der Band ist eine reich illustrierte Zusammenstellung der wichtigsten Entwicklungen seit 1945, wenn auch mit eigenartigen Lücken. Geht man nach den Fotos und auch der Textstrecke, scheint es nach einer Heroenzeit mit Raab, Figl und später dann Klaus und Koren eine Ära Kreisky gegeben zu haben, danach eine strahlende Gegenwart mit Schüssel und Grasser. Dazwischen muss es laut Zeitgeschichte zehn Jahre Vranitzky in großer Koalition mit der ÖVP gegeben haben, aber aus diesem Buch ist das nur schwer zu erkennen. (Hans Rauscher/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18. 1. 2005)