Die Zahl der Kirchenaustritte hat sich in den vergangenen 25 Jahren verdoppelt. Das geht aus der Kirchenstatistik hervor. 1981 wurden knapp über 26.000 Austritte registriert, im Jahr 2004 ist erstmals die Marke von 50.000 überschritten worden. Nachdem jetzt auch St. Pölten eine vorläufige Zahl - rund 5.100 (plus 45 Prozent) - veröffentlichte, hat die katholische Kirche Österreichs im Vorjahr zumindest 49.956 Mitglieder verloren. Die Zahl wird sich noch auf über 50.000 erhöhen, da auch aus der Erzdiözese Wien noch keine komplette Zahl vorliegt.

"Quittung" für 1986 begonnen Kirchenkurs

Die dramatische Entwicklung bei den Kirchenaustritten ist für den Wiener Pastoraltheologen Paul Zulehner die "Quittung" für den 1986 - mit der umstrittenen Ernennung von Hans Hermann Groer zum Wiener Erzbischof - begonnen Kirchenkurs. Diesen Kurs hätten "viele österreichische Katholiken nach der Zeit von Kardinal König überhaupt nicht verstanden". Und es habe sich auch gezeigt, "dass die Leute, die dann in das Amt gestellt worden sind, nicht diejenigen waren, die die Kirche vorangebracht haben, sondern die sie zurückgeworfen haben".

Für 1981 weist die offizielle "Kirchliche Statistik der Diözesen Österreichs" 26.380 Kirchenaustritte aus. Mit der Ernennung Groers 1986 und der ebenso umstrittenen Berufung von Kurt Krenn zum Wiener Weihbischof 1987 ist die Zahl der Kirchenaustritte auf 33.088 (1986) bzw. 34.804 (1987) angewachsen. Die Bestellung Krenns zum Bischof von St. Pölten im Jahr 1991 markiert den nächsten Sprung nach oben - von 32.666 im Jahr 1990 auf 33.914 im Jahr 1991 und 37.032 im Jahr 1992.

Das "Groer"-Jahr 1995

Nächster "Höhepunkt" bei den Kirchenaustritten ist das Jahr 1995. Nach Veröffentlichung der Vorwürfe, Groer habe Zöglinge sexuell missbraucht, verlassen 44.304 Katholiken die Kirche. Einen nächsten "Schub" gibt es dann 1998/99. Anlässlich eines Rom-Besuches Ende 1998 stritten die Bischöfe über einen dem Vatikan vorgelegten Bericht über die Lage der Kirche in Österreich. Damals fiel der legendäre Ausspruch Krenns an seinen Mitbruder Kardinal Christoph Schönborn gerichtet: "Mir genügt's, wenn die Lügner das Maul halten." 1998 wurden 38.395 Kirchenaustritte registriert, im Jahr darauf 43.629.

Ab 2000 pendeln sich die Kirchenaustrittszahlen zunächst wieder auf deutlich unter 40.000 pro Jahr ein, 2001 sind es sogar "nur" 33.857. Der vorerst letzte "Keulenschlag" kam dann 2004 mit dem Sex-Skandal im Priesterseminar von St. Pölten, den Bischof Krenn als "Buben-Dummheiten" bezeichnete. Trotz der Abberufung Krenns kehren mehr als 50.000 Katholiken ihrer Kirche den Rücken.

Zulehner glaubt, dass jetzt die "Krise der 86-er Jahre ausgestanden" sei und die Kirche "wieder Tritt fassen" werde. (APA)