Wien - Der wissenschaftliche Leiter der Tagung zum Widerstand gegen das NS-Regime, der Grazer Historiker Stefan Karner, wies darauf hin, dass durch die Veranstaltung erstmals in der 2. Republik Widerstandskämpfer in das Plenum des Parlamentes eingeladen wurden. Es gehe der Tagung auch darum, den "Opfern des Widerstandes ein Gesicht zu geben" und ihnen ihre Biografien zurück zu geben. Zuvor hatte Karner Zahlen über die Opfer des Widerstandes genannt. Demnach starben 32.600 Österreicher wegen politischer Verfolgung in Gefängnissen und im KZ. Rund 100.000 Menschen waren mindestens drei Monate in Haft. 2.700 Widerstandskämpfer wurden hingerichtet.

"Voraussetzungen, von denen wir heute noch zehren."

Bereits in den Tagen der Machtergreifung begannen die NS-Behörden mit der Festnahme ihrer politischen Gegner. Vor allem Funktionäre des autoritären Ständestaates wurden mit dem ersten, so genannten "Prominententransport" in das KZ Dachau deportiert. Für die Ausforschung sozialistischer Gegner konnte das Regime die Verfolgungsakten des Ständestaates verwenden. "Die Verfolgung durch die NS-Behörden setzte dann sofort ein." Karner bezog sich dabei auf Aktenbestände, die nach 1945 von den Sowjets nach Moskau gebracht worden waren. Karner zu Folge gibt es Bemühungen von Bundeskanzler Schüssel, die Rückgabe dieser Akten zu erreichen.

Wie seine Vorredner bezog sich auch Karner auf die Moskauer Deklaration. Er wies auf ihre Bedeutung in der alliierten Propaganda für die Desertion aus der Wehrmacht hin. "Der Text war auf jedem Passierschein gedruckt, der deutsche Soldaten dazu animieren sollte, zu desertieren." Er unterstrich die politische Folgewirkung des Widerstandes. "Die Widerstandskämpfer haben Voraussetzungen gebracht, von denen wir heute noch zehren."

Neugebauer zieht nüchterne Bilanz

Praktisch hat der Widerstand gegen das NS-Regime in Österreich aber nur wenig zur Befreiung vom Nationalsozialismus beigetragen. Dieses Resümee zog der Historiker Wolfgang Neugebauer, bis vor kurzem Leiter des Dokumentationsarchives des Österreichischen Widerstandes (DÖW). "Die Befreiung Österreichs war nicht das Werk einer Revolution von unten oder eines nationalen Freiheitskampfes, sondern das ausschließliche Verdienst der alliierten Streitkräfte", erklärte Neugebauer. "Die praktischen Ergebnisse des Widerstandskampfes waren gemessen an der Zahl der Opfer eher bescheiden."

Auf österreichischem Boden starben im Frühjahr 1945 noch 30.000 alliierte Soldaten. Bis in die letzten Kriegsmonate hatte es der österreichische Widerstand laut Neugebauer nicht vermocht, das NS-Regime zu gefährden, seine Kriegsmaschinerie ernsthaft zu schädigen oder in der Bevölkerung breite Unterstützung zu finden. Auch in der Zweiten Republik sei der politische Einfluss der Widerstandskämpfer und NS-Opfer rasch geringer geworden. "Die weitere gesellschaftliche Entwicklung wurde von der Generation der Kriegsteilnehmer und ehemaligen Nationalsozialisten dominiert", schloss Neugebauer. (APA)