Der Jahreszeit entsprechend ist die Kolumne heute stark reduziert. Sie enthält höchstens 70 Prozent einer herkömmlichen Kolumne. Ich höre ja oft Klagen, dass meine Kolumnen zu üppig seien, wie ein Buffet im All Inclusive Robinsonclub, wo ich einmal war in der Schweiz. Wir hatten morgens und abends Buffet, und es war schwer, sich für etwas zu entscheiden, weil alles irgendwie auf die eine oder andere Weise interessant aussah. Also haben wir uns alles aufgeladen auf den Teller, und danach wussten wir nicht mehr, was wir gegessen hatten und wonach es geschmeckt hat. Jeden Abend war ich unzufrieden mit meiner Maßlosigkeit, aber wenn man so viel hingestellt bekommt, woher weiß man, was gut ist?
Nun gut, heute denke ich einmal an den Leser und reduziere die Kolumne auf das Wesentliche. Was wird das sein? Zweifellos ist Sex das Wesentliche an einer Kolumne, weil Sex-Kolumnistinnen haben immer so schöne Kleider und deshalb empfinde ich es als essenziell, über Sex zu schreiben, wenn man so angenehm belohnt wird. Reduzieren wir diesen Gedanken, so drängt sich der Umkehrschluss auf: Mode-Kolumnistinnen müssten eigentlich immer sehr schönen Sex haben. Das würde erklären, dass sie immer alles gut finden. Modetexte sind eigentlich nie negativ. Nie liest man so was wie "Voll daneben, die neue xy-Kollektion" oder "Bei Designer xy wird Dummheit auf den Punkt gebracht". Modetexte sind immer bereit, allem etwas Schönes abzugewinnen - Zeichen dafür, dass Modekolumnistinnen mit sich und der Welt zufrieden sind. Wegen genug feinem Sex.
Andererseits sollte man Sex auch nicht immer nur auf Kleider reduzieren - obwohl es natürlich angezogen schöner ist. Eigentlich kann man Sex überhaupt nicht reduzieren, weil er ist ja allüberall. Sobald man denkt, huch, eine entspannende Nicht-sexy Zone, z.B. ein Grippe-Viren-Kongress, schon kommt das Begehren um die Ecke gebogen und befällt einen. Ich könnte diese Kolumne auf drei Noten eines gregorianischen Chorals reduzieren - könnte jemand dafür garantieren, dass es nicht plötzlich schlüpfrig wird? Überhaupt - ist nicht alles viel zu viel reduziert? Man reduziert Parteien auf ihre Vorsitzenden, Wirtschaft auf ihr Wachstum und man reduziert Werbung auf Preisverkündigungen. Als ob die Begehrlichkeit steigen würden, nur weil der Preis sinkt.
Ich glaube, ich reduziere diese Kolumne jetzt einfach auf Tarte Tatin. Wenn ich wirklich etwas empfehlen kann, dann Tarte Tatin. Ich hab mich entschieden, nie wieder etwas anderes zu backen. Sie wird jedes Mal ein bisschen anders, was sowohl von der Apfelsorte als auch vom Sommer, den der Apfel hinter sich hat, abhängt. So müssen meine Gäste nicht immer dasselbe essen. Die verführerischsten Männer und Frauen sind immer die, die man sich nervlich eigentlich überhaupt nicht leisten kann. Noch reduzierter geht's nicht.