Santa Clara - Die Neigung zum mathematischen Denken steht dem Vorstandschef des kalifornischen Chip-Herstellers Transmeta im Gesicht geschrieben. «Seit 20 Jahren baue ich Chips», sagt David Ditzel. «Seitdem gab es keinen Prozessor ohne Probleme und Fehler.» Deswegen will Transmeta jetzt alles ganz anders machen. Hauptvorteil der neuen Crusoe-Prozessoren ist der geringe Stromverbrauch, was sehr viel längere Batterielaufzeiten für Notebooks und Handheld-Computer ermöglicht. Die ersten Geräte werden zur Jahresmitte erwartet. "Wir haben diese komplexe Struktur in der Mitte durchgeschnitten" Das Geflecht der Leitungsbahnen und der als Schalter dienenden Transistoren auf dem Silikon-Plättchen ist nach Ansicht Ditzels so komplex geworden, dass diese herkömmlichen Prozessoren mit ihrem hohen Stromverbrauch den besonderen Anforderungen mobiler Computer nicht mehr genügen. Während der erste Intel-Prozessor, der 4004, noch mit 2.300 Transistoren auskam, jagt der Pentium III die Bits und Bytes durch 9,5 Millionen dieser winzigen Schalter. «Wir haben diese komplexe Struktur in der Mitte durchgeschnitten», sagt Ditzel im Gespräch. Ein großer Teil der Chip-Architektur wird beim Crusoe in Software ausgelagert, so dass sich der Prozessor bei gleicher Leistung mit einem Viertel der Transistoren begnügt und nur ein Zwanzigstel des Energiebedarfs benötigt. Die Umsetzung eines Teils der Chip-Aufgaben in Software ermöglicht unter anderem, dass der Prozessor Statistiken erstellt, welche Operationen eines gerade laufenden Programms am häufigsten ausgeführt werden. Dadurch muss nicht mehr jeder Befehl durch die Leiterbahnen geschickt werden. Die Software-Komponente lässt sich zudem mühelos aktualisieren. «Bei dem Pentium-Bug hätten wir einfach ein kleines Reparaturprogramm bereit gestellt, anstatt alle Chips auszutauschen», sagt der Transmeta-Chef. Mit Blick auf seine frühere Arbeit unter anderem am SPARC-Prozessor von Sun Microsystems spricht Ditzel bei den bisherigen Prozessoren von einem «Küchenausguss-Design: Alles wird in einen einzigen Ort geworfen». Bei der Trennung in eine Hardware- und eine Software-Komponente aber können diese Teile auch getrennt voneinander entwickelt werden. "Breite Palette von Geräten in der zweiten Jahreshälfte" Nach insgesamt vierjähriger Entwicklungszeit werden die Crusoe-Chips derzeit in einem IBM-Werk in Burlington, Vermont, produziert. Zur Produktionsausbeute will Ditzel keine konkreten Angaben machen - aber «es sieht ziemlich gut aus». Der Crusoe feiert gleich eine doppelte Premiere: Eine Ausführung mit einer Taktrate von 400 Megahertz ist für kleine Handheld-Computer mit Internet-Zugang gedacht, die schnellere Variante mit 700 Megahertz soll in Notebooks eingebaut werden. «In der zweiten Hälfte des Jahres werden wir eine breite Palette von Crusoe-Geräten sehen», sagt Ditzel. Dazu sollen auch Handheld-Computer mit eingebettetem Linux-Betriebssystem gehören - schließlich zählt Transmeta zu seinen Mitarbeitern auch den Linux-Begründer Linus Thorvalds. Transmeta ist nur wenige Schritte von der Intel-Zentrale in Santa Clara entfernt und galt lange als «geheimnisvollste Firma im Silicon Valley» südlich von San Francisco. Gelegentlich wird der Crusoe schon als Intel-Killer bezeichnet, aber davon hält der nüchterne Transmeta-Chef wenig: «Wir sind in einem anderen Markt.» Mit der Kombination von geringem Stromverbrauch, hoher Leistung und Kompatibilität zur Serie der x86-Prozessoren von Intel stehe Transmeta derzeit ohne Konkurrenz da. «Damit können wir den Markt in eine neue Richtung erweitern», sagt Ditzel. Beim Marktführer Intel gibt man sich zumindest nach außen gelassen. «Wir erwarten, dass wir auch mit der Weiterentwicklung unserer x86-Architektur immer längere Batterielaufzeiten erleben werden», sagt der Leiter des Intel-Geschäftsbereichs Mobilcomputer, Robert Jecmen. Mit Spannung wird allenthalben die geplante Börseneinführung von Transmeta erwartet. Den Zeitpunkt will Chip-Designer Ditzel noch nicht verraten: «Jetzt liefern wir erst mal unsere Produkte aus, dann denken wir über diese Frage nach.» (AP)