Wien - Der Fall ist am klarsten in der Weise erzählt, wie ihn die Angeklagten selbst darstellen: Der Reini (37) und der Schrolli (27) haben geglaubt, der Martin hätte ein Gerücht über sie verbreitet, wonach die Freunde "schwul miteinander" seien. Das ärgerte sie so sehr, das der Schrolli zum Reini sagte: "Am liebsten würde ich ihn umbringen." - "Das traust du dich nie", meinte der Reini. "Du wirst schon sehen, wie ich mich das traue", entgegnete der Schrolli. "Dann vergiss den Hammer nicht", schrieb der Reini dem Schrolli per SMS, als sie beim Martin eingeladen waren.

Denkzettel

Dort aßen sie Knackwurst und spielten "Mensch ärgere dich nicht". Dann stand der Schrolli auf, holte den Hammer und schlug dem Martin von hinten zweimal wuchtig auf den Kopf. "Besser mit dem Messer", soll Reini gesagt haben (was er allerdings bestreitet). Jedenfalls stach Schrolli auf den blutüberströmten, knienden und um Gnade flehenden Martin mehrmals ein. Weil der sich noch immer bewegte, beendete Schrolli das Massaker. Martin begann, sein Blut aufzuwischen und schickte die anderen um Fetzen. Danach gelang ihm die Flucht. Er schleppte sich bis zur nächsten Polizeiwachstube und brach dort schwer verletzt zusammen. Schrolli bekennt sich des versuchten Mordes schuldig. Reini will höchstens mit einem "Denkzettel für Martin" gerechnet haben.

Täter als auch Opfer sind gehörlos

Was diesen Fall so schwierig macht, ist die Tatsache, dass sowohl Täter als auch Opfer gehörlos sind. Ein Gutachten stellt dabei bedenkliche Zusammenhänge zwischen diesem Umstand und dem Verbrechen her. Die Angeklagten seien "emotional auf der Entwicklungsstufe von Kleinkindern und daher an der Grenze der Strafunmündigkeit", sagt Psychologe Wolfgang Friedl. Für Empörung sorgt sein generalisierender Ansatz. "Die Taubstummen gehören zu den geschwätzigsten und verleumderischsten Menschen (...), und häufig sind die Taubstummenvereine Brutstätten dieser Bakterien", zitiert er den Bericht eines Gehörlosen aus dem Jahr 1914. "Angesichts ihrer Behinderung ist die Delinquenz der Gehörlosen erstaunlich gering", sagt er. Dafür erntet er wütenden Protest. "Das ist schwer diskriminierend! Sie sagen nichts anderes als: Alle Gehörlosen sind deppert und schwer gestört", zürnt der Anwalt der Opfers.

Thomas S. wurde zu 15 Jahren Haft verurteilt. Er war damit einverstanden, das Urteil ist bereits rechtskräftig. Reinhard K. wurde zu zwölf Jahren verurteilt. Seine Mutter brach bei der Urteilsverkündung zusammen. Verteidiger Manfred Ainedter meldete Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an.

(Daniel Glattauer, DER STANDARD Printausgabe 21.1.2005)