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Wolfgang Schüssel trifft den tschechichen Premier Stanislav Gross.

Foto: AP /Josek
Prag - Die tschechische rechtskonservative Tageszeitung "Lidove noviny" schreibt zum Besuch von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel am Donnerstag in Prag:

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"Der kleine österreichische Kanzler kam endlich und sprach. Er lachte, als ob es den kalten diplomatischen Temelin- und Haider-Krieg zwischen Tschechien und Österreich nie gegeben hätte. Dabei steht (das südböhmische Atomkraftwerk) Temelin weiter, und beide Atomreaktoren laufen mit voller Kraft. Auch die Haider-Leute sind bis heute in der Regierung Schüssels, und ihr bräunliches Denken bekundet sich fast genau so oft wie die Pannen in dem vor 15 Jahren erbauten südböhmischen Wunder (Temelin, Anm.). Nicht einmal die österreichischen Sudetendeutschen verschwanden, die nach dem Stillwerden ihrer Freunde in München die Quelle besonders ungeheuerlicher an die Adresse des benes-dekretierten Tschechiens geschickter Schimpfwörter blieben.

Tschechische Gastarbeiter

Auch Wolfgang Schüssel sagte in Prag das Seine. Tschechische Gastarbeiter wird er nicht nach Österreich hineinlassen, soweit es möglich sein wird. Und das wird sieben Jahre lang dauern. Lächelnd fügte der Kanzler hinzu, dass es ihm besser gefalle, wenn die Tschechen direkt von den in Tschechien tätigen österreichischen Firmen beschäftigt würden. Die Tschechen bleiben zu Hause und die Österreicher verdienen noch daran. Wir machen es für euch, so ist es für euch besser, behauptete der Kanzler gestern unwiderstehlich und mit der Klugheit gepflegter Hofburg-Diplomatie.

EU-Verfassung

Mit einer unauffälligen Bemerkung über das Differenzieren (zwischen den Schuldigen und Nicht-Schuldigen, Anm.) unterstützte er auch die Entschädigung jener vertriebenen Sudetendeutschen, die gegen den Nationalsozialismus gekämpft hatten. Dies alles aber nur irgendwie am Rande. Der kleine Kanzler kam nach Prag, um vor allem jene Sachen auszuhandeln, die unsere kleinen oder - wie wir es gerne hätten - mittelgroßen europäischen Länder verbinden. Beispielsweise, dass die Lkw-Horden bei steigendem Verkehrsaufkommen durch die Böhmisch-mährische Anhöhe sowie die österreichischen Alpen fahren. Man kann sich mit der Maut übertrumpfen, aber wenn die Container nicht auf den Schienen oder auf dem Wasser transportiert werden, werden unsere Autobahnen nie genug breit sein, damit alle EU-Lkw hineinpassen.

Der Freund aus Österreich kam auch, um uns sagen, dass bei der europäischen Verfassung ein besseres Verhandlungsergebnis nicht möglich gewesen wäre. Er wisse etwas darüber, weil er dabei gewesen sei. Er bat uns, nicht verrückt zu werden, denn wenn wir die Verfassung töten sollten, würden wir erst sehen, wie dann die Großen in der EU regieren würden. Schüssel meinte es ehrlich. Hoffentlich ehrlicher als das mit den Gastarbeitern." (APA)