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Foto: Reuters/Garanich
Während in Westeuropa um die Jahrtausendwende die Arbeitslosigkeitsraten zwar sachte stiegen, die Reformländer im Osten sich aber an wachsenden Wirtschaftsdaten erfreuen konnten, ging es in der Ukraine (noch) stetig bergab. Eva Stockhammer zeichnet in ihrer Seminararbeit das Bild einer Gesellschaft noch vor dem Umbruch nahe der Apokalypse. Die Folgen der Planwirtschaft

Seit 1991 hatte die Ukraine mit den Folgen des UdSSR-Zusammenbruchs und der neuen Eigenständigkeit zu kämpfen. Traditionelle Industrien wie Kohle, Stahl, Chemie und die Waffenindustrie sahen keine wirtschaftlichen Überlebenschancen in globalisierten Märkten. Der Umstellungsprozess hin zu diversifizierten Wirtschaftssparten ging nur langsam voran, der Export in die ehemaligen UdSSR-Länder brach zusammen. Als Folge dessen schoss die Arbeitslosigkeit der Planwirtschaft von nahezu null Prozent auf exorbitante Höhen und traf dabei vor allem die Jugend.

Lokale Disparitäten

Von den 7.380.000 Jugendlichen (15- bis 24-Jährige nach UN-Definition) der 49.688.000 Ukrainer stellten noch in diesem Jahr 24 Prozent des Ukrainischen Arbeitslosenheeres. Damit entfällt zwar nicht der Löwenanteil der Arbeitslosen auf Jugendliche, diese waren aber indirekt proportional stärker durch die wirtschaftlichen Engpässe betroffen. Stärker noch als die (wenigen) vor allem östlich gelegenen Industriezentren der Ukraine wie Kharkiv, Dnipropetrovsk, Kiew oder Odessa war der westliche eher rurale Teil der Ukraine betroffen.

Jugendarbeitslosigkeit

Die wirtschaftliche Rezession brachte eine Vielzahl an Nebeneffekten mit sich, eine Verelendung der Mittelschichten, übersteigerten Alkoholkonsum, Bettlertum und wachsende Kriminalität, wobei auch diese Phänomene sich vor allem bei Jugendlichen niederschlugen. Noch 1999 gab es in der Ukraine 27.100 Bettler, davon betraf ein erschreckendes Drittel Jugendliche. Nicht erstaunlich - konnten sich manche Familien ihre Kinder schlicht nicht mehr leisten. Noch immer sind der UNICEF zufolge 160.000 Ukrainische Kinder in Waisenhäusern gemeldet.

Desperate Jugendkultur

Während unter Leonid Kutschma die Eingliederung von Jugendlichen in das Arbeitsleben von 51,2 auf 42,1 Prozent fiel, stieg die Kriminalitätsrate rasant um das Doppelte an. Prostitution im In- und Ausland erreichte Rekordhöhen, wobei an die 100.000 ukrainische Frauen als Prostituierte im Ausland vermutet werden. Auch gesundheitliche Folgen des wirtschaftlichen Niedergangs wurden spürbar: Ein Drittel aller Jugendkrankheiten betrafen Lungen- und Atmungsprobleme, erzeugt durch die lokale Schwerindustrie und den Tabakkonsum. Ein Fünftel aller Zwölfjährigen ist Raucher, ein Wert der bei 16- bis 18-Jährigen zwischen 60 und 90 Prozent je nach Geschlecht schwankt. Drogenkonsum generell stieg zwischen 1995 und 2002 um sagenhafte 240 Prozent.

Internationale Schützenhilfe

Während nationale Programme zur Kriminalitätsverminderung ab Mitte der 90er Jahre Wirkung zeigten, haben vor allem internationale Programme andere Problemfelder verringern geholfen. UNICEF beteiligte sich an AIDS-Aufklärungskampagnen, die OSZE organisierte ATP, das Anti (Human) Trafficking Program gegen Menschenhandel und -schmuggel, an dem sich auch die EU beteiligte. Wenngleich Arbeitslosigkeit und Kriminalität sowie "Human Trafficking" stark im Abnehmen begriffen sind, hat sich für die Ukraine die Möglichkeit zur politischen Annäherung an den Westen doch gerade erst aufgetan. In ihrer Seminararbeit zu East European Studies erklärt Eva Stockhammer die Hintergründe zu den politischen Umbrüche 2004. Die Arbeit im Volltext (Anmeldung erforderlich).