Foto: Schauspielhaus Graz/Manninger
Graz - Der Tod hängt allgegenwärtig als milchig unheimliche Luft zwischen den Häusern, in denen Untote versuchen zu leben, zu arbeiten und zu lieben. In ihrer Inszenierung von Ödön von Horváths Glaube, Liebe Hoffnung führt Cornelia Crombholz ihre Zuschauer von der ersten Szene an in jene beängstigende, hoffnungslose Welt der Bestialitäten, die landläufig auch als Menschlichkeit bezeichnet werden: die Kämpfe gegen die eigene Hilflosigkeit, in denen sich Menschen gegenseitig vernichten. Mit ihrem kongenialen Bühnenbildner Florian Barth und den nichts Gutes verheißenden Klängen von Sandy Lopicic schafft Crombholz die Thrilleratmosphäre.

Nach einigen flauen Produktionen hatte am Freitag ein Highlight der laufenden Saison im Grazer Schauspielhaus Premiere. Einerseits trifft die mit jeder Arbeit präziser werdende Handschrift von Crombholz, die gerne in kleinen Guckkästen und mit viel Musik erzählt, Horváths "Totentanz" mitten ins kalte Herz, andererseits hält das Ensemble die Spannung in kleinen und großen Rollen.

Allen voran Martina Stilp und Sebastian Reiß: Wenn die resignierende, aber stolze Elisabeth und ihr melancholischer Schupo Alfons, dem schon eine Braut weggestorben ist, sich wie zwei Kinder auf riesige Gummireifen werfen und auf zwei getrennten Inseln landen, sagt das alles über ihre Liebe.

Schön auch die strenge Polizistin von Grete Tiesel, die es nicht leiden kann, wenn man ihr nicht glaubt, dass das Leben doch zu etwas nütze sei. Oder Gerhard Balluch als brodelnder Invalide, Franz Solar als tierfreundlicher, menschensezierender Präparator und Ninja Reichert als rasante Maria. Der Amtsgerichtsrat (Erik Göller) und seine Gattin (Johanna Orsini-Rosenberg) legen einen brutalen Tango aufs Parkett, der in eine choreografierte Vergewaltigung mutiert. Ein Tanz von Zombies, die bereits von der Seuche Faschismus infiziert sind, beendet auch den Abend. Doch zuvor lässt Crombholz ihre Elisabeth das Leben aller anderen beenden. Sie stirbt nicht allein, sie nimmt alle mit in den unausweichlichen Tod.


Unbekannte Existenzen

Nicht ganz so hoffnungslos scheinen die Protagonisten von Sabine Harbekes Schnee im April dran zu sein, das am Samstag auf der Probebühne des Hauses die österreichische Erstaufführung erlebte. Die Schweizer Autorin, die in New York und Zürich lebt, erzählt die Geschichte eines New Yorker Ehepaares (großartig: Daniel Doujenis und Andrea Wenzl), das mit dem Besuch des Bruders (Oliver Rosskopf) konfrontiert wird, von dessen Existenz niemand wusste. Angewandte Psychologie wird auf Bühnentauglichkeit überprüft und besteht durch Robert Schmidt (Regie).

Die Frage nach der eigenen Herkunft, der unbekannte Vater, das Wiederholen von Fehlern vorangegangener Generationen und unausgesprochene Beziehungsprobleme werden dem einsamen Single-Leben der Frau in der Nachbarwohnung (in einer stummen Rolle: Klaudia Reichenbacher) gegenübergestellt. (DER STANDARD, Printausgabe, 24.01.2005)