Bild nicht mehr verfügbar.

Palästinenser-Präsident Mahmoud Abbas im Hauptquartier in Gaza City.

Foto: AP Photo
In Gaza deutet sich ein Wandel an, seit sich Palästinenserpräsident Mahmud Abbas dort persönlich um ein Abkommen mit den radikalen Gruppen bemüht. Eine Waffenruhe von Hamas und Islamischem Djihad könne eine Sache "von Tagen" sein, meint Außenminister Shaath.

* * *

Eine dramatische Verbesserung der Sicherheits- und damit vielleicht auch der politischen Lage scheint die Aufstellung von Hunderten palästinensischen Polizisten im nördlichen Drittel des Gazastreifens bewirkt zu haben. Die Israelis registrierten erstaunt "den ruhigsten Samstag seit Langem", und Verteidigungsminister Shaul Mofas ließ aufhorchen, als er gar schon von einem Stillhalteabkommen zwischen dem neuen Palästinenserchef Mahmud Abbas und den radikalen Gruppen berichtete.

Sowohl die Hamas als auch die palästinensische Führung versicherten zwar prompt, dass die "Hudna", die angestrebte befristete Waffenruhe, noch nicht perfekt sei. Doch laut Außenminister Nabil Shaath ist man der Einigung sehr nahe: "Die Dinge bewegen sich in die richtige Richtung - ich spreche nicht von Wochen, ich spreche von Tagen."

Auch der palästinensische Präsident Mahmud Abbas bezeichnete ein Abkommen mit den palästinensischen Extremistengruppen als "sehr nahe". In einem Interview, das am Sonntagabend vom Palästinensischen Satelliten-Fernsehen ausgestrahlt wurde, sagte Abbas, der Dialog mit allen Gruppen, einschließlich Hamas und Islamischer Dschihad, habe große Fortschritte erzielt und werde bald zu einem Abkommen führen.

Abbas warf gleichzeitig der israelischen Regierung vor, den Einsatz der palästinensischen Sicherheitskräfte im Gazastreifen durch Straßensperren zu behindern. Seit Freitag sind 3000 Sicherheitskräfte im nördlichen Grenzgebiet im Einsatz.

Der Palästinenserpräsident kündigte an, er wolle sich mit dem israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon in den kommenden zwei Wochen treffen. Er sagte ferner, dass US-Präsident George W. Bush ihn ins Weiße Haus eingeladen habe, wann immer er kommen wolle. Ein solcher Besuch werde aber erst stattfinden, wenn es greifbare Ergebnisse in den palästinensisch-israelischen Gesprächen gebe.

Patrouillen in Gaza

Bewaffnete Autonomiepolizisten in grünen Uniformen hatten am Freitag begonnen, Patrouillen zu fahren und an Straßensperren Autos nach Waffen zu durchsuchen, wobei es widersprüchliche Informationen darüber gab, ob sie Befehl hatten, auf Raketenwerferkommandos der Terrorgruppen das Feuer zu eröffnen - doch es ergab sich ohnehin keine Notwendigkeit dazu. In den nächsten Tagen sollen palästinensische Sicherheitskräfte auch in die Reibungszonen um Khan Yunis und Rafah im Süden geschickt werden.

Aus Solidarität mit der Bevölkerung in Sderot, wo bis vor wenigen Tagen immer wieder Raketen- und Mörsersalven eingeschlagen hatten, tagte der israelische Ministerrat am Sonntag in dem grenznahen Städtchen und strahlte eine Mischung aus Zufriedenheit und Skepsis aus. "Ich hoffe, dass die Ruhe vielleicht andauert", sagte Premierminister Ariel Sharon, dessen Farm nur einige Kilometer von Sderot entfernt ist, "und wenn nicht, werden die Sicherheitskräfte alles Erforderliche tun, um die Bürger hier von der Bedrohung zu befreien."

Indiskretion

Mofas hatte zuvor in Radiointerviews davon gesprochen, dass die Hamas und der Islamische Djihad einem "Übereinkommen über einen Waffenstillstand für ungefähr einen Monat" zugestimmt hätten, mit dieser Indiskretion aber dem seit Dienstag in Gaza verhandelnden Abbas vielleicht die Arbeit erschwert.

De facto haben die Islamisten offenbar die Attacken gestoppt, doch aus Prestigegründen können sie nicht offiziell auf Gewalt verzichten, ohne dass Israel irgendwelche Bedingungen erfüllt. "Unsere Position ist, dass der israelischen Seite keine Gratis-Hudna gegeben wird", sagte Djihad-Sprecher Hudri Haviv, und Muschir al-Masri von der Hamas schlug den gleichen Ton an: "Von einer Hudna ohne Preis kann keine Rede sein, und der Preis ist der Abzug der Besatzungstruppen aus unseren Ländern an die Grenzen von 1967."

Vermittlermission

Abbas wird damit in eine Art Vermittlermission gedrängt, die nur schwer zu erfüllen ist. Die Hamas will international abgesicherte Vorausgarantien dafür, dass Israel Gefangene freilässt und die Razzien und "gezielten Tötungen" einstellt, während die Israelis bloß lauwarm erklären, dass sie "Ruhe mit Ruhe beantworten" werden: "Solange es ruhig ist, gibt es keinen Grund, dass wir agieren, und sicher nicht, während Abbas die ersten Schritte macht", meinte Mofas. (DER STANDARD, Printausgabe 24. 1. 2005)