Als Tarzan an der Strippe zog: Frans Poelstra (re.) testet die Haltbarkeit kolonialer Vereinbarungen. Ein Clownfest.

Foto: tqw/Koch
Poelstra (50) und Steijn (46) gastieren im Kasino am Schwarzenbergplatz und zeigen demnächst im Tanzquartier "Tarzan, the experience".


Standard: Ist uns der Typ des Dschungelhelden heute nicht ein wenig fremd?

Poelstra: Tarzan ist das Symbol für den Traum des weißen Mannes.
Steijn: Es geht um die Idee, dass man als Weißer in eine fremde Umgebung kommt und sofort der König ist. Die Tarzan-Bücher von Burroughs sind ziemlich ekelhaft.

Standard: Aber zum Trost zeigen Sie ja auch ein Stück mit der Musik von J. S. Bach.

Steijn: Tarzan, the experience ist ganz anders als Frans Poelstra, his dramaturg and Bach. Wir haben die Tarzan-Arbeit gemacht, als die Amerikaner in Afghanistan einmarschiert sind. Wir wollten diese Idee: "Wir erobern die Welt", in eine Halluzination verwandeln. Im Bach-Stück geht es um Kindheit und Freundschaft, in Tarzan mehr um Reinigung - und ich hoffe, es kommt viel Schmutz heraus! Wenn wir jetzt beide Stücke innerhalb so kurzer Zeit in Wien zeigen, wird Tarzan noch politischer.
Poelstra: Es geht auch um die Konstruktion einer neuen Welt. Das Bach-Stück dagegen spielt mit menschlichen Konventionen.
Steijn: Tarzan mit den Konventionen des Happenings. Einige Leute fühlen sich dabei an die Hippie-Zeiten erinnert, an Befreiung und die dunkle Seite des Daseins.

Standard: Ist es nicht verführerisch, angesichts des nackten Frans Poelstra im Bach-Werk schon an Tarzan zu denken?

Steijn: Mit Bach machen wir ein Stück über Harmonie - und ihre Unmöglichkeit - und bei Tarzan heißt es: "Glaube an keine Form!". Bach ist ein bisschen bubenhaft, Tarzan ist aggressiver. Zwei ganz verschiedene Ansätze.

Standard: Wie gehen Sie im Prinzip an Ihre Stücke heran?

Poelstra: Am Anfang gibt es eine Ahnung, damit gehe ich auf die Bühne, und dann entwickelt sich alles in eine unvorhergesehene Richtung.
Steijn: Wir wollen keine Bühnensprache haben, die sich von der unterscheidet, die wir außerhalb verwenden.

Standard: Welche Möglichkeit halten Performance und Tanz nach der Geschichte des 20. Jahrhunderts noch bereit?

Steijn: Ich beziehe mich im Erarbeiten nicht direkt auf die Theatergeschichte, obwohl man ihr natürlich nicht ganz entkommen kann. Frans denkt mehr in den Dimensionen des magischen Theaters. Er ist der geborene Clown. Er hat etwas Umarmendes an sich, und das macht ihm Spaß. Wir wollen gewisse Strategien, die wir bei anderen sehen, vermeiden.
Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Ausübenden zu intelligent sind. Ich mag die Clownerie lieber: dass man dümmer ist als das Publikum. Ich kann das "Beeindrucken des Zaren" nicht leiden. Das ist im Tanz zuerst mit der Virtuosität des Körpers passiert, und danach mit dem Geist.

Standard: Das können Sie sagen, weil Sie schon sehr erfahren sind.

Poelstra: Ich habe mich stets gefürchtet, weil es um Dinge ging, die ich nicht kannte. Da musste ich dieser Naivität vertrauen.

Steijn: Früher hat mich beschäftigt, wie Körper und Geist funktionieren, und jetzt geht es mir darum, wie ein Kollektivbewusstsein funktioniert.

Ich will die Leute aber nicht damit beeindrucken. Jetzt wird es im Theater wieder Zeit, mehr mit Gefühlen und Gedanken zu spielen, aber auch mit Potenzialitäten.

Standard: Welche?

Steijn: Mögliche Träume, die wir leben können. Dabei ist es nicht so wichtig, was man sich aussucht, es gab ja lange eine große Ernsthaftigkeit gegenüber dem Thema Identität. In diesem Sinn sind wir erfahrener. Wir sagen: Freu' dich einfach über diese menschliche Qualität, dass du etwas anderes auf der Bühne - aber dann hoffentlich auch außerhalb der Bühne - werden kannst!

Ich persönlich bin Dramaturg, aber seit zwei Jahren sage ich: "Ich tanze auf der Bühne", und die Leute staunen: "Wow, sie haben ja gar nicht den Körper dafür!" Und ich sage: "Ich habe Lust, das zu machen, also tu' ich es." Der Traum von mir lautet: auf Potenzialitäten zu kommen und Spaß damit zu haben. Standard : Wie wollen Sie zusammen weitermachen? Poelstra: Wir haben ein großes Projekt vor, es trägt den Arbeitstitel The Bush Administration , es wird sich über vier Jahre ziehen und am Ende 45 Leute aus Wien, Berlin und Amsterdam auf der Bühne versammeln. Wir wollen Bush auf halluzinatorischer Ebene untersuchen. (DER STANDARD, Printausgabe, 25.01.2005)