Taipeh - Der taiwanesische Staatspräsident Chen Shui-bian hat am Dienstag den als pragmatisch geltenden Politiker Frank Hsieh zum neuen Ministerpräsidenten ernannt und mit der Bildung einer "Regierung der Stabilität" beauftragt.

Der 59-jährige Hsieh, ein Stratege der regierenden Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) und Bürgermeister von Kaohsiung, der zweitgrößten Stadt der Insel, löst den bisherigen Premier Yu Shyi-kun ab. Chen soll die innenpolitischen Differenzen beilegen und vor allem die Beziehungen zur Volksrepublik China verbessern.

Dialog mit Opposition

Chen forderte den neuen Regierungschef auf, den Dialog mit der Opposition zu suchen. Die oppositionelle ehemalige Einheitspartei Kuomintang (Nationalpartei) verfügt über eine knappe parlamentarische Mehrheit. Die Kuomintang widersetzt sich Chens Plänen, eine neue Verfassung zu entwerfen und der Inselbevölkerung in einem Referendum zur Abstimmung vorzulegen. Dabei würden die Streitfragen der Souveränität und Identität Taiwans zwangsläufig eine Rolle spielen.

Die bestehende Verfassung hatte die Kuomintang noch unter der Diktatur von Generalissimus Tschiang Kai-schek (Jiang Jieshi) auf dem Festland für die "Republik China" auf der Grundlage des Machtanspruchs über das ganze Land ausgearbeitet. Dann hatten aber die Kommunisten nach ihrem Sieg im Bürgerkrieg 1949 die Macht ergriffen, und die nationalchinesischen Truppen mussten nach Taiwan flüchten.

Normalisierung der Beziehungen zu Peking

Hsieh, lange Zeit ein parteiinterner Rivale des Präsidenten, hat sich wiederholt für eine Normalisierung der Beziehungen zu Peking auf der Basis von Pragmatismus und Flexibilität ausgesprochen. Zwischen dem chinesischen Festland und der Insel sollen erstmals seit mehr als 50 Jahren Direktflüge aufgenommen werden. Darauf einigten unlängst Vertreter der Volksrepublik China und Taiwans nach Gesprächen in dem Sonderverwaltungsgebiet Macao (Macau). Über die Feiertage zum chinesischen Mondneujahr im Februar sollen erstmals seit 1949 Flugzeuge des Festlands in Taiwan landen dürfen. Die Einigung könnte ein erster Schritt hin zur Aufnahme von regelmäßigen Flug- und Schiffsverbindungen sein. (APA)