Wien - Mehr Beachtung für die Neutralität wünscht sich Erwin Lanc, langjähriger Innen- und Außenminister der SPÖ und nunmehr Präsident des in Wien ansässigen Internationalen Instituts für den Frieden (IIP). Mit einem international besetzten Symposium am 15. April versucht das Institut daher, diesen Aspekt der österreichischen Zeitgeschichte zu unterstreichen. Geladen sind Historiker - darunter der Brite Robert Knight - und Verfassungsexperten wie der Linzer Völkerrechtler Manfred Rotter. Dazu kommen Zeitzeugen, etwa Rostislav Sergeev, Dolmetscher bei den Staatsvertragsverhandlungen und später Diplomat, und der frühere Staatssekretär Ludwig Steiner.

"Moskauer Memorandum"

Das Datum ist nicht zufällig gewählt. Mit 15. April 1955 ist das "Moskauer Memorandum" datiert, mit dem die Sowjets den Weg zum Staatsvertrag freigaben. Eine österreichische Delegation mit Bundeskanzler Julius Raab an der Spitze verpflichtete sich damals in der sowjetischen Hauptstadt zu einer Neutralität nach Vorbild der Schweiz. Diese Neutralität sollte aber nicht Teil des Staatsvertrags werden, sondern vom österreichischen Parlament unmittelbar im Anschluss an die Ratifikation des Staatsvertrags beschlossen werden.

"Von großem Nutzen"

"Österreich hatte sich 1955 in einer zerrissenen Welt zu behaupten", so Lanc: "In dieser Atmosphäre eines permanenten Bewährungszustandes war uns die Neutralität von großem Nutzen." Der Ex-Minister spricht aber auch von einem gebrochenen Verhältnis der Österreicher zu ihrer eigenen Geschichte, dieses verhindere das Entstehen eines berechtigten Selbstwertgefühls der Nation, welches über die Leistungen der Kultur und die Schönheit der Landschaft hinausgehe: "Kein anderer Bereich bekommt so deutlich zu spüren wie schwer sich die Zweite Republik mit sich selbst tut wie die Außenpolitik, kein anderes Staatsorgan leidet so sehr darunter wie das Bundesheer."

Vergleich mit Irland

Heute trete an die Stelle des Verteidigungsauftrags, der in der Verfassung bis ins Detail definiert sei, die Ausrichtung auf militärische Interventionen, sprich: auf Friedensicherungsmaßnahmen und Kampfeinsätze im internationalen Verbund. Während das neutrale Irland hier einen kühlen Kopf bewahre und Zurückhaltung an den Tag lege, konzentriere sich die österreichische Politik kurzsichtig auf militärische Engagements im Ausland, kritisierte Lanc weiter. Diese schwer wiegende Veränderung hätte eigentlich einer ähnlich intensiven öffentlichen Erörterung bedürft wie der EU-Beitritt.

Symposium

Das von Sponsoren finanzierte Symposium geht am 15. April in der Diplomatischen Akademie über die Bühne. Neben Rotter, Knight, Sergeev und Steiner werden der Historiker Oliver Rathkolb, Olga Velitschko von der russischen Akademie der Wissenschaften, Michel Cullin von der Diplomatischen Akademie und Ronald Pruessen von der University of Toronto sprechen. Im Mittelpunkt der Referate stehen die damaligen Positionen der früheren Besatzungsmächte zum Moskauer Memorandum. Zu einer Podiumsdiskussion wird außerdem der frühere deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher erwartet. (APA)