Ist das eigentlich noch die letzte Bundesheerreform, über die da jetzt diskutiert wird - oder schon die nächste? Man tut sich schwer, bei dem Tempo mitzuhalten, in dem in den letzten Jahren an den Streitkräften herumreformiert wurde. Zuletzt gab es alle fünf Jahre eine Umgliederung, die letzte Neuaufstellung - mit ganz neuer Spitzengliederung - erfolgte im Sommer 2002.

Das sollte für dieses Jahrzehnt reichen. Als bald darauf eine Bundesheer-Reformkommission angekündigt wurde, ging es noch um die Perspektive 2010, aber das ist dem Bundeskanzler zu langsam. Er will den Wehrdienst im Wahljahr verkürzen, also wird im Bundesheer Druck gemacht: Die Dienstzeit für Grundwehrdiener muss - gegen jeden Rat der Experten und die ausdrückliche Empfehlung der Kommission - bereits 2006 verkürzt werden; also zu einer Zeit, wo noch tausende Soldaten für den Dienst an der Grenze gebraucht werden.

Eine auf sechs Monate verkürzte Dienstzeit verlangt aber nach einer völligen Umplanung aller Abläufe im Bundesheer: Damit zu jeder Zeit zumindest einige ausgebildete Rekruten zur Verfügung stehen, muss es mehr Einrückungstermine geben. Die Ausbildungszeit wird im Verhältnis zur eigentlichen Dienstzeit länger, der Ausbildungserfolg geringer: Man kann dann einfach nicht mehr die - bei einem Einsatz überlebensnotwendigen - soldatischen Kenntnisse einüben.

Schon gar nicht, wenn die Soldaten neben ihrer eigentlichen Aufgabe für allerhand Assistenzdienste herangezogen werden: Das Dauerprovisorium der Grenzüberwachung dauert ja an, daneben werden Soldaten aber auch für ganz andere Hilfsarbeiten abkommandiert - etwa, um die Skipisten von Kitzbühel zu präparieren.

Das Bundesheer wird immer weniger militärisch.

Dass der einfache Soldat am Schluss der sechs Monate dann nicht voll feldverwendungsfähig ist, wird hinter vorgehaltener Hand zugegeben - und mit dem Hinweis argumentiert, dass man Rekruten ohnehin nicht in gefährliche Situationen bringen will.

Die Eile, mit der diese Reformschritte vorgezogen werden, hat zwei handfeste politische Gründe: Zum einen kann man die Berufsmilitärs mit der Erarbeitung von immer neuen Konzepten, mit Kommissions-, Planungsstabs- und Arbeitsgruppensitzungen beschäftigen - soll keiner sagen, dass sich beim Bundesheer nichts täte, dass nicht ohnehin mit Volldampf gearbeitet und reformiert werde!

Zum anderen gibt jede der Reformen die Gelegenheit, neue Posten auszuschreiben, alte oder unangepasste Funktionsträger zu entfernen und das Bundesheer auch personell nach eigenen Gutdünken umzugestalten. Dieser Versuchung hat noch kein Minister widerstehen können.

Dass das Heer dabei ständig schrumpft, dass seine Einsatzmöglichkeiten ständig sinken und vor allem die Basis schmäler wird, aus der man neue Soldaten für die unteren Führungsfunktionen rekrutieren könnte, wird dabei in Kauf genommen: Wer wird sich noch für fünf oder auch nur für zwei Jahre für eine Unteroffiziersfunktion verpflichten, wenn die nächste Kaserne so weit weg ist, dass man die Familie (und wie auf dem Land derzeit oft üblich: den Nebenerwerb-Bauernhof oder Familienbetrieb) kaum noch sehen kann? Womit will man neue Milizsoldaten anlocken, die einen beachtlichen Teil der im Ausland eingesetzten Truppe bilden?

Die Antwort, dass ein kürzerer Wehrdienst schon per se als attraktiv gilt, wird von der Praxis widerlegt werden: Das Bundesheer wird künftig aus einer weiterhin zur Überalterung tendierenden Gruppe von (beamteten) Berufssoldaten und einer jungen Truppe von Rekruten, die allerdings nur mehr für Hilfsdienste heranziehbar sind, bestehen.

Die nächste Reform kommt bestimmt - und die Führungskräfte, die in die neue Streitkräfteplanung eingesetzt werden, werden damit leben müssen, dass die Wehrpflichtigenarmee nicht mehr funktioniert. Dann kann man gleich dazu übergehen, ein Berufsheer zu planen. (DER STANDARD, Printausgabe, 26.1.2005)