Mit Viktor Juschtschenko ist in dieser Woche bereits der zweite Führer der neuen Revolutionen in Osteuropa vor dem Europarat in Straßburg aufgetreten. Einen Tag vor dem neu gewählten ukrainischen Staatschef hat schon Georgiens junger Präsident Michail Saakaschwili die Prämissen jener Revolutionsführer vorgestellt, die nach dem Ende der Sowjetunion 1991 stolz ein zweites Mal die Unabhängigkeit proklamieren. Ihr Zug fährt Richtung Westen: Beitritt zur EU, möglicherweise auch zur Nato (Georgiens Regierung hat sich 2006 zum Ziel gesetzt) und vollkommen neue Beziehungen zur alten Vormacht Russland.

Allein, die neuen Ost-Revolutionen sind am Ende nicht immer so orangefarben - um im Bild der Juschtschenko-Kampagne zu bleiben -, wie ihre Initiatoren es gern hätten.

Saakaschwili kam persönlich nach Straßburg, um die Bilanz seiner "Rosenrevolution" vom November 2003 gegen die wachsende Kritik des Europarats und der Zivilgesellschaft im eigenen Land zu verteidigen. Georgiens Präsident habe sich zu viel Macht zugesichert, heißt es; die Medien würden eingeschüchtert; die alten Eliten des gestürzten Regimes von Eduard Schewardnadse könnten sich durch hohe Zahlungen an den Staat freikaufen, statt sich einem ordentlichen Gerichtsverfahren wegen Korruption oder Steuerhinterziehung zu stellen.

Zu viel Selbstvertrauen bescheinigte ein Berichterstatter des Europarats der georgischen Führung. Es ist Teil eines Prozesses, den auch die Juschtschenko-Regierung durchmachen wird: die notwendige Abnabelung der Zivilgesellschaft und ihrer NGOs von den Politikern, denen sie in die neuen Ämter verhalf; und die Versuchung der neuen Präsidenten, den revolutionären Elan umstandslos am Kabinettstisch fortzusetzen. (DER STANDARD, Printausgabe, 26.1.2005)