Seefeld - Proteomik, die Erforschung von Eiweißen und deren Funktionen, kann nicht nur zu wesentlich früheren Diagnosen von Krankheiten und damit zu besseren Heilungschancen führen - DER STANDARD berichtete. Die Beforschung der Proteine kann auch völlig neue Behandlungsmöglichen eröffnen. Das zeigt eine Arbeit, die Thomas Conrads vom National Cancer Institut (USA) am Mittwoch beim laufenden internationalen Symposium der österreichischen Proteomik-Plattform in Seefeld, Tirol, präsentierte.

Conrads und Team studieren die Harnblasenerkrankung Interstitielle Cystitis: "Weltweit sind davon 20 Millionen Menschen betroffen", erklärte Conrads. "Es handelt sich um eine chronische Erkrankung, bei der es zu einer Verdünnung der Harnblase und schmerzhaften Geschwüren kommt. Die Betroffenen müssen pro Tag manchmal 60-bis 80-mal auf die Toilette."

Bisher war die Diagnose kompliziert. Symptome wurden auf Verdacht hin zuerst meist mit Antibiotika behandelt. Stellte sich kein Erfolg ein (weil es eben doch keine bakterielle Infektion war), musste die Interstitielle Cystitis per Gewebsentnahme aus der Harnblase unter Narkose festgestellt werden.

Erst 1996 wurde der "Antiproliferative Faktor" (APF) entdeckt, ein Protein der Harnblase. Die Forscher um Conrads klärten in jahrelanger Arbeit die Bedeutung von APF für die Krankheit: Der Faktor blockiert zu fast 100 Prozent die Zellteilung in der Harnblasenwand, kommt nur bei Patienten mit der Erkrankung vor und dürfte die Krankheit auch auslösen. Da sich das Protein im Harn relativ leicht nachweisen lässt, wird derzeit an einem brauchbaren Harndiagnosetests auf Interstitielle Cystitis gearbeitet.

Doch damit nicht genug: APF und davon abgeleitete Eiweiße könnten in Zukunft eine weitere Rolle spielen, nämlich eine therapeutische. Immerhin sind Karzinome der Harnblase wie alle Tumoren durch eine krankhafte Zellteilung charakterisiert. Man könnte daraus vielleicht eine Therapie für Blasenkarzinom entwickeln. "Wir haben Varianten von APF hergestellt", die die unkontrollierte Zellteilung laut Conrads "tausendfach stärker hemmen als das ursprüngliche Protein". In kleinen Studien werden diese Varianten bereits an Menschen erprobt. (APA, emu/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27. 1. 2005)