Es waren nicht undramatische Worte, zu denen EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso griff: "Europa steht am Scheideweg", donnerte der Portugiese in den Plenarsaal des Europa-Parlaments.

Die EU müsse das Vertrauen der Bürger zurückgewinnen - und als "erneuertes Europa" auf die Überholspur kommen, fügte er eindringlich hinzu.

Das Rezept aus der Krise bestehen für Barroso aus zwei Wörtern: Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze. Auf diese Ziele ist das Fünfjahres-Programm der EU-Kommission konzentriert, das Mittwoch in der Kommission beschlossen und im Parlament präsentiert wurde.

Denn wenn Europas Wirtschaft aus der Flaute herauskomme, dann würden andere Ziele wie Wohlstand und soziale Gerechtigkeit automatisch erreicht, gab sich Barroso überzeugt.

Zahlen als Argumente

Die Zahlen aus dem Vorjahr nutzte er als Argument: Europas Wirtschaft schwächelt Asien und den USA hinterher, neun von 25 Mitgliedsstaaten haben die Defizitgrenze von drei Prozent überschritten, der Schuldenstand wurde kaum reduziert, Arbeitsmarktziele nicht erreicht und die Forschungsquote kaum erhöht. Diesen Ruf vom "kranken Europa" will die EU-Kommission abschütteln, durch schnelleres Wachstum sollen mehr Jobs geschaffen werden.

Die Instrumente, die im Strategiepapier zur Erreichung dieses Ziels genannt werden, blieben vage: Handelsliberalisierung soll zu mehr Exporten führen, "modernere" Arbeitsmärkte zu mehr Jobs. Die Bedingungen für Unternehmensgründungen soll durch EU-weit gleiche Rechte verbessert werden.

Wachstumschance Dienstleistungen

Dienstleistungen seien eine Wachstumschance und sollen grenzüberschreitend angeboten werden können. Außerdem will die EU-Kommission in den kommenden fünf Jahren einen "europäischen Forschungsraum" schaffen. Dazu pocht die Kommission auf die Umsetzung des EU-Ziels, drei Prozent des BIP für Forschung auszugeben.

Ein wenig konkreter wurde die EU-Kommission beim Thema Zuwanderung: Das alternde Europa brauche "größere Offenheit für Immigration". Ein Teil der Lösung könnten Green Cards für qualifizierte Zuwanderer sein. Nicht zuletzt will sich die EU für eine gemeinsame Visa-Politik einsetzen.

Abgeordneten fehlte Umwelt

Die Europa-Parlamentarier, die Barrosos Kommission im Oktober im ersten Durchgang ihr Placet versagt hatten, überzeugte dieses Fünfjahres-Programm wenig. Den Sozialdemokraten befürchteten, dass Deregulierung zum Abbau des Sozialstaats genutzt werde.

Die Grünen fürchten, dass Umweltschutzvorhaben wie die Chemikalienrichtlinie entschärft werden. Lediglich die konservative Volkspartei begrüßte die "realistischen Ziele". Und Barroso stellte noch einmal klar: "Der Statuts Quo Europas ist keine Option." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.01.2005)