Das Problem sitzt im Saal des sächsischen Landtages ganz rechts – jene zwölf Abgeordneten der NPD, die im November den Sprung ins Landesparlament geschafft haben. Groß war der Schock damals, erreichten die braunen Recken doch in manchen Wahlkreisen eine 20-prozentige Zustimmung. Wie die postkommunistische PDS konnte die NPD vom großen Frust der Ostdeutschen über die Arbeitsmarktreformen der Bundesregierung profitieren.

Politiker wie Politologen versuchten sich nach dem Motto "So schlimm wird es nicht werden" in Schadensbegrenzung und verwiesen auf die vom Münchner Verleger Gerhard Frey gesteuerte rechtsextreme DVU ("Deutsche Volksunion"), die im Brandenburger Landtag ein recht unauffälliges Dasein fristet. Und hatte sich die DVU nicht zuvor in Sachsen-Anhalt selbst zerfleischt?

Doch die Hoffnung auf eine ähnlich blasse NPD erfüllte sich nicht. "Die DVU ist eine virtuelle Partei, während die NPD in Sachsen über Strukturen verfügt und in vielen Wahlkreisen gut verankert ist", analysiert der Berliner Politologe Oskar Niedermayer. Das trägt nun Früchte: Längst wird die NPD nicht mehr nur von Ewiggestrigen gewählt. Sowohl Kandidaten als auch Wähler kommen auch aus der Mitte der Gesellschaft.

Spätestens seit vergangenem Freitag muss jedoch auch dem letzten Beschwichtiger klar sein, dass im sächsischen Landtag keine selbst ernannten Biedermänner, sondern Brandstifter am Werk sind, die die Nazigräuel verharmlosen wollen, indem sie die Bombardierung Dresdens durch die Alliierten als "Bomben-Holocaust" bezeichnen.

Und nun lautet in ganz Deutschland die große Frage: Was tun? Hurtig wurde der Ruf nach einem Parteienverbot laut. Zwar hat Kanzler Gerhard Schröder (SPD) eine Prüfung zugesagt, doch die Chancen, dass die Regierung demnächst wieder vor dem Verfassungsgericht einen Antrag stellt, sind gering. Mit diesem Ansinnen war Rot-Grün vor knapp zwei Jahren gescheitert, und in Berlin überwiegt nun Skepsis. Vor allem Innenminister Otto Schily (SPD) ist gegen einen weiteren Versuch.

Strengere Auflagen

Doch er hat andere Pläne vorgelegt: Wenn man die NPD schon nicht verbieten kann, dann soll ihre Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden. Schily will mit einer Verschärfung des Versammlungsrechts Aufmärsche von Neonazis an Gedenkstätten verhindern, wenn zu erwarten ist, dass der Nationalsozialismus verherrlicht oder verharmlost wird.

Dann wäre eine Kundgebung vor dem Berliner Holocaust-Mahnmal, das am 10. Mai eingeweiht wird, nicht möglich. Auch Demonstrationen vor Konzentrationslagern dürften nicht mehr stattfinden. Zwar hat Schily CDU und CSU bereits auf seiner Seite.

Die Union will zudem auch noch Volksverhetzung in einem deutschen Parlament strafbar machen und dafür das Grundgesetz ändern. Doch in den rot-grünen Reihen gibt es Zweifel, da die Grenzen für eine Verschärfung des Versammlungsrechts sehr eng sind.

Die Versammlungsfreiheit ist im Grundgesetz als Grundrecht festgeschrieben. So erklärt etwa der SPD-Innenpolitiker Sebastian? Edathy: "Wir müssen, auch wenn das schwer fällt, zur Kenntnis nehmen, dass selbst Rechtsextremisten Grundrechtsträger sind."

Brisanter Aufmarsch

Von Schilys Plänen nicht tangiert wäre jedoch das Brandenburger Tor, weil es "nur" ein Bauwerk ist, wenn auch ein sehr geschichtsträchtiges. CDU/CSU schlagen daher vor, die Bannmeile rund um den Bundestag auf das nur wenige Meter entfernte Brandenburger Tor auszuweiten. Denn am 8. Mai, dem 60. Jahrestag des Kriegsendes, will die NPD unter dem Motto "Schluss mit dem Schuldkult" dort aufmarschieren. Und das treibt den anderen Parteien angesichts des zu erwartenden weltweiten Medienechos schon jetzt den Schweiß auf die Stirn. (DER STANDARD, Printausgabe, 28.1.2005)