Bagdad/Teheran/Wien – Der US-Diskurs über den Iran, die Drohungen gegen Teheran, drehen sich um dessen potenzielles Atomwaffenprogramm – die Botschaft an die Mullahs hat aber auch viel mit dem Irak zu tun. Nach den Wahlen am Wochenende werden im Irak zum ersten Mal in einem arabischen Land Schiiten als Mehrheitsbevölkerung an die Macht kommen. Für den Iran vollzieht sich damit der Wandel des Irak von einem Gegner und Konkurrenten zu einem Verbündeten: Nicht umsonst ist Teheran die Abhaltung der irakischen Wahlen mindestens so ein Anliegen wie der US-Regierung.

Der iranische Einfluss im Irak macht Washington nervös – und bedeutet, weil die Dinge im Irak so schlecht stehen, gleichzeitig eine Einschränkung des Handlungsspielraums. Im Grunde sind die USA darauf angewiesen, dass der Iran dort nicht noch aktiver wird, als er es schon ist: Vor allem im Südirak soll viel iranisches Geld im Umlauf sein. Dass irakische schiitische Politiker nun bekannt gegeben haben, dass sie keine Geistlichen in der Regierung haben wollen, wird allgemein damit begründet, dass das unpopulär wäre. Aber es ist auch eine Betonung der Eigenständigkeit gegenüber Teheran sowie der Versuch, die USA zu beruhigen.

Auch US-intern wird zur Vorsicht aufgerufen: Bei der Anhörung von Außenministerin Condoleezza Rice machte der demokratische Senator Joseph Biden darauf aufmerksam, dass die Neocon-Visionen, US-Bomben auf iranische Atomanlagen würden Horden von jungen Iranern und Iranerinnen in Jeans auf die Straße bringen, um das Regime zu stürzen, so vielleicht nicht funktionieren wird. Darüber hinaus kann man die Theorie wagen, dass die Bildung einer laizistischen Regierung im Irak zu einer größeren Herausforderung an das iranische System werden könnte als jeder US-Angriff, der die Reihen im Iraner eher wieder schließen würde.

Wenn Iraks Schiiten mit dem Segen des auch im Iran angesehenen Ayatollah Ali Sistani in einem Staat leben dürfen, der Geistliche vom Regieren quasi ausschließt, dann wäre das eine starke Anfrage an Khomeinis Konzept des "velayat-e faqih", der Herrschaft des Rechtsgelehrten. Es ist kein Zufall, dass sich die durch den Ausschluss ihrer Kandidaten in Bedrängnis geratenen iranischen Reformer vor den Parlamentswahlen im Februar Hilfe suchend an Sistani wandten.

Vor wenigen Tagen ließ Ayatollah Hossein Ali Montazeri einen Appell an die Iraker los, dass sie nicht den iranischen Weg gehen sollten. Montazeri, früher designierter Nachfolger Khomeinis, später erbitterter Gegner, sitzt in Qom: Die iranische Mullah- Hochburg muss auch die Sorge haben, dass das irakische Najaf den früheren Status als Weltzentrum des schiitischen geistigen Lebens wieder zurückerobert, wenn dort, wie in der Schia ja üblich, undogmatisch und frei gedacht werden darf, während sich Qom im Khomeinismus eingräbt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 28.1.2005)