Geschlechterpolitik
Hitzige Diskussion über den Weg der Frauenpolitik
Kindergeld für alle unter Beschuss
Mit Kritik an der Frauenpolitik der schwarz-blauen Koalition wurde im Montagsgespräch,
das vom STANDARD
und Radio Wien veranstaltet wurde, nicht gespart.
Katharina
Krawagna-Pfeifer
moderierte die Diskussion,
Heidi Weinhäupl
berichtet.
Im Publikum genauso wie auf dem Podium zeichnete sich beim Montagsgespräch „Frauenpolitik
– Quo Vadis?“ von Anfang an eine hitzige Diskussion ab. Dabei waren sich die Autorin
Eva Rossmann, die stellvertretende Klubobfrau der Grünen Madeleine Petovic, die designierte
Bundesgeschäftsführerin der SPÖ Andrea Kuntzl und die ÖVP-Generalsekretärin Maria
Rauch-Kallat – prinzipiell einig, dass der Weg der Frauen „sicher nicht zurück an
den Herd führe, sondern hin in eine gleichberechtigte Partnerschaft von Frau und Mann
in allen Lebensbereichen“, wie dies Rauch-Kallat in ihrem Eingangsstatement ausführte.
Als Beweis dafür führte Rauch-Kallat den hohen Frauenanteil in der Regierung an: „Von
zwölf Ministern sind vier weiblich – und das in nicht unwesentlichen Ressorts.“ Mit
der Staatssekretärin komme man auf einen Frauenanteil von mehr als 30 Prozent.
Die FPÖ-Frauensprecherin Theresia Zierler und Maria Rauch-Kallat betonten die Wahlfreiheit
der Frau zwischen Beruf und Familie als ein großes Ziel. „Ein wesentlicher Faktor
im Erwerbsleben ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wobei das nicht nur eigene
Kinder sind, sondern ja auch sehr oft die Pflege alter Eltern, und die Ermöglichung
dieses Schrittes“, sagte Rauch-Kallat.
Die Umsetzungsstrategien der schwarz-blauen Koalition stießen dann allerdings auf
harte Kritik. Ein Punkt, der sowohl von Rossmann, als auch von Kuntzl und Petrovic
genannt wurde, war die Abkopplung des Karenzgeldes vom Arbeitsmarkt, da Familien mit
Hausfrauen dadurch bevorzugt würden. Madeleine Petrovic kritisiert: „Statt dass man
den Arbeitsmarktbezug der Karenzregelungen stärkt, koppelt mit Weiterbildungsmaßnamen,
wird er weggetan.“ Da die Regelung mindesten sechs bis acht Milliarden Schilling zusätzliche
Kosten bedeute, wären laut Petrovic unter dem Diktat der leeren Kassen damit auch
die Wiedereingliederungsprojekte gefährdet. Zusätzlich sieht Petrovic die verlängerte
Karenzzeit von zwei Jahren keineswegs im Sinne der „Wahlfreiheit“, sondern als Zwangsaustritt
der Frauen aus dem Beruf, da die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt erschwert
würde.
Wiedereinsteigerinnen
Auch Kuntzl hegt Befürchtungen, dass die gerade dann notwendigen Programme für
Wiedereinsteigerinnen, gestrichen werden könnten, da „die Mitteln des AMS de facto
gekürzt werden“.
Demgegenüber streicht Rauch-Kallat die Erhöhung der Zuverdienstgrenze auf etwa 12.000
Schilling heraus. Damit, dass die Frau während der Karenzzeit auf Teilzeitbasis arbeiten
und Urlaubsvertretungen übernehmen kann, solle verhindert werden, dass die Frau den
Bezug zum Arbeitsmarkt verliert.
Frauenministerium Ade
Andrea Kuntzl kritisierte auch die Abschaffung des Frauenministeriums: „Es gibt
massive Rückschritte in der Frauenpolitik – einerseits was die inhaltliche Ausrichtung
der Frauenpolitik betrifft, andererseits die institutionelle Absicherung und zum dritten
– und das darf man nicht unterschätzen – die Vertretung der Frauenpolitik durch eine
beherzte Persönlichkeit.“
Zierler meinte, dass das Frauenministerium sehr wenig bewegen konnte – „ein Ministerium,
das dem Bundeskanzler unterstellt war, ein Ministerium mit einem minimalen Budget
ohne eigene Kompetenzen.“ Sie sieht die Frauenprobleme als Gesamtteil der Politik,
und glaubt daher, dass diese in allen Ministerien besser vertreten werden können.
„Frauenpolitik sehe ich nicht als Ghettopolitik, die sie eigentlich bisher war, sondern
ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass man Frauenpolitik auch partnerschaftlich
begreift.
Sparen bei den Frauen
Große Besorgnis äußerten Rossmann, Kuntzl und Petrovic in Bezug auf die Budgetkürzungen
für Frauenprojekte. Petrovic sagte: „Ich möchte da die Sozialdemokratie auch nicht
aus der Pflicht nehmen, denn ich habe immer vermisst, dass man dort mit dem selben
Einsatz um die Frauenanliegen gekämpft hätte wie etwa um die Bank Austria Anteile
oder um die Zahnkronenregelung.“ Bei der Regierungspolitik der schwarz-blauen Koalition
sieht sie jedoch überhaupt keinen Anlass für Optimismus, betont jedoch, dass man
diese einstweilen nur anhand von Entscheidungen über die Ressorts und die Existenz
von Ressorts beurteilen könne, sowie an den bisher bekannten Budget-Eckdaten und den
ersten Monaten der angelaufenen Ressortpolitik. „Und das ist zwar noch nicht sehr
viel, aber ich denke die Aussagen, was die Frauenpolitik betrifft, lassen sich schon
recht deutlich erkennen.“
Petrovic weiter: „Die Regierung sagt immer, man solle sie an ihren Taten messen. Ich messe die Koalition nur an den Taten, die sie bisher gesetzt haben – und die schauen für die Frauen ganz, ganz ungünstig aus, die bedeuten für die Frauen einen klaren Rückschritt.“
Als Beispiel führte die stellvertretende Grüne Clubobfrau die Notlage vieler Frauenprojekte
an. „Sprungbrett, Notruf Graz, Mädchenzentrum Amazone, Frauensolidarität, Informationsstelle
gegen Gewalt, Verein Autonomer Österreichische Frauenhäuser – sie alle stehen auch
kurz vor ihrer Organhaftung!“
Eva Rossmann betonte, dass, selbst wenn die für heuer ausständigen Gelder von der
Sozialministerin zugesichert sind – wie Rauch-Kallat erklärte –, in Wahrheit schon
das Herauszögern die Fraueneinrichtungen umbringe: „Eine nach der anderen und die
kleinen zuerst!“ Die Mit-Initiatorin des Frauenvolksbegehrens warnte auch davor, sich
von Zahlenverwirr-Spielen der FPÖ konfus machen zu lassen. Als Beispiel führte sie
eine Presseaussendung der Sozialministerin Sickl an, worin behauptet wird, dass bis
zum Sommer 2000 mit der Zahlung von 133 Millionen Schilling rund 30.000 neue Kinderbetreuungsplätze geschaffen werden sollen. Damit ergeben sich 4433 Schilling pro Kinderbetreuungsplatz – laut Rossmann kostete ein Platz zumindest bisher etwa 100.000 Schilling.
Rassismus und Sexismus
Die „Schlagwortmaschinerie“ der FPÖ wurde von der Historikerin, Philosophin und
Feminismus-Wissenschaftlerin Ursula Kubes-Hofmann kritisiert. Sie verwies auch auf
die mangelhaft aufgearbeitete Geschichte des Nationalsozialismus und den Zusammenhang
von Rassismus und Sexismus. Eine ihrer Forderungen war es daher, in den Schullehrplänen
den Unterricht über die Funktionsweise von Sklaverei, Kolonialismus, Minderheiten,
Gefahren des Rassismus und Holocaust verpflichtend festzuschreiben.
Eva Rossmann kritisierte das von der FPÖ vertretene Frauenbild ebenfalls. „Wir wissen,
dass Rassismus und seine vielen Zwischenabstufungen und dass Sexismus mit seinen vielen
Zwischenabstufungen unmittelbar zusammenhängen.“
Zurück an den Herd
Auch für Andrea Kuntzl liegt die Wurzel des Problems im Frauenbild, das die beiden
Koalitionsparteien vertreten: „Es ist nicht das Frauenbild der eigenständigen Persönlichkeit,
wo man die Rahmenbedingungen verbessern muss, um das zu gewährleisten. Sondern es
ist das Bild der Frau als Persönlichkeit, die nach wie vor ihren Nummer 1 Platz im
Bereich der Familie zu suchen hat.“
Das Problem der fehlenden Kinderbetreuungsplätze würde Kuntzl beheben, indem man dem
Geld aus dem Finanzausgleichsverhandlungen „ein Mascherl gebe“ und es zur Errichtung
von Betreuungsplätzen verwende. Außerdem könne man auch die Senkung der Lohnnebenkosten einsetzen, um Betriebe zu fördern, die ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sowie Wiedereinsteigerinnen beschäftigen. Damit würde, so Kuntzl, aus einem Steuergeschenk an die Unternehmer ein strategisches Instrument.
Kuntzl kritisierte auch das Fehlen von Maßnahmen zur Umsetzung der Absichtserklärungen
im Regierungsprogramm: „Kein Wort in diesem Regierungsprogramm über die durchschnittliche
berufstätige Frau, kein Wort darüber, wie bekommen wir die Zunahme an geringfügig
Beschäftigten, an Scheinselbständigen, die Zunahme an teilzeitbeschäftigten Frauen,
die nicht mehr herauskommen aus der Teilzeitbeschäftigung, in den Griff. Kein Wort
zur Bedeutung, zur Stärkung, zum weiteren Ausbau der Arbeitsmarktpolitik, kein Wort
zu notwendigen Qualifizierungsmaßnahmen bei Frauen in traditionellen und in nicht-traditionellen
Berufen.“
ÖVP-Generalsekretärin Rauch-Kallat verwies darauf, dass im von der SPÖ mit der ÖVP
ausgehandelten Programm ebenfalls keine Maßnahmen stünden. Außerdem würden Kinderbetreuung, Teilzeitbeschäftigung und Flexibilisierung der Arbeitszeit im jetzigen Programm erwähnt. Aber, übertönt Rauch-Kallat die Zwischenrufe aus dem Publikum, „es besteht natürlich ein ideologischer Unterschied zwischen einer planwirtschaftlichen Zwangspolitik und
einer marktwirtschaftlich orientierten Politik. Wir glauben, dass das Recht auf Teilzeit
Frauen aus dem Arbeitsmarkt drängt.“
Theresia Zierler ging hingegen zum Gegenangriff auf Kuntzl über: „Ja, es fehlen Maßnahmen
und es fehlten Maßnahmen in den letzten 30 Jahren.“ Ihr sei unklar, warum konkrete
Änderungsvorschläge erst jetzt vorgebracht werden. In den letzten 30 Jahren der sozialdemokratischen
Frauenpolitik sei „sehr, sehr wenig passiert“. Sie gebe aber allen recht, dass man
noch sehr viel verändern müsse.
Eine Lanze für die sozialdemokratische Frauenpolitik brach auch Eva Rossmann nicht,
schließlich sei keiner der elf Punkte des Frauenvolksbegehrens umgesetzt worden. Doch,
so Rossmann: „In den letzten Jahren ist wenig im Interesse der Eigenständigkeit von
Frauen passiert. Bei der jetzigen Regierung wird gezielte Arbeit gegen die Eigenständigkeit
von Frauen betrieben.“
Die FPÖ-Frauensprecherin Zierler widersprach damit, dass mit der zweijährigen Karenzregelung
eine Forderung des Frauenvolksbegehrens umgesetzt sei, doch das sei „natürlich schlecht,
weil das ist ja jetzt von ÖVP und FPÖ.“ Rossmann antwortete, dass die Forderung nach
zwei Jahre für Alleinerzieherinnen wirklich im Frauenvolksbegehren gestanden wäre
– allerdings noch mit dem Wort „auch“ versehen: „Auch für Alleinerzieherinnen. „Denn
hier ging und geht es um die Bestrafung von Alleinerzieherinnen, weil das nicht das
gewollte Lebensbild ist, in dem die Frauen leben sollten“, so die Autorin. Das treffe
auch auf die neue Regelung zu, nach der Alleinerzieherinnen zwei Jahre Karenz bekämen,
das dritte Jahr aber nur der Partner in Anspruch nehmen könnte.
Förderung für inländische Familien
Da der Bezug des Kindergeldes nun an die Familienbeihilfe gekoppelt werden soll,
könnten viele Migrantinnen den Anspruch auf Karenzgeld verlieren. Ausländerinnen müssen
für den Bezug der Familienbeihilfe mindestens fünf Jahr in Österreich leben oder einer
der beiden Elternteile in einem aufrechten Arbeitsverhältnis stehen.
Petrovic meinte dazu, dass die FPÖ immer die Familie schützen wolle, aber offensichtlich
das entsprechende Bild der Familie nur bei entsprechendem Reisepass gelte. Rauch-Kallat
wandte ein, dass berufstätige Migrantinnen jetzt nicht mehr 52 Wochen innerhalb von
zwei Jahren arbeiten müssten, um einen Anspruch auf Karenz zu bekommen, sondern nur
mehr drei Monate.
Fazit der Diskussion: Viel Kritik, viele Emotionen, die das sachliche Diskutieren
teilweise untergruben. Und, wie Andrea Kuntzl es formulierte: „Wir wurden auch in
dieser Diskussion nicht mit Verbesserungsvorschlägen verwöhnt.“ Andererseits waren
die ja auch nicht erbeten.