Wien - O wie schön sie alle: Mutter Montserrat Figueras mit dem schwarzen, ihre madonnenhaften Gesichtszüge umfließenden Haar, Jordi Savall, der Paterfamilias mit dem grau melierten Bart und dem darin versteckten ernsten Mienenspiel; Tochter Arianna, Sinnbild selbstbewussten Lebens, und Sohn Ferran mit dem Wuschelkopf und den großen, etwas traurigen Augen, zart und ruhig. Man wünschte sich von ihm in den Schlaf gesungen zu werden, zu dieser späten Konzerthausstunde, und prompt tat er das auch, sang, summte ein hebräisches Wiegenlied mit beweglicher Stimme, und die familiäre Band, sie zupfte, strich und summte vorsichtig um seinen Gesang herum.

Es ist immer eine sehr intime Klangwelt, in die man bei Jordi Savalls entführt wird; eine sanfte Brise scheint dort beständig zu wehen, ein wohl tuender Sommerwind. Gern durchstreift der Katalane bei die Welt der sephardischen Juden in Nordafrika und im östlichen Mittelmeerraum; ein sanftes Wiegen, Schaukeln ist in ihrer Musik zu spüren, auch klingt ein leises Klagen in fast allen ihren Gesängen mit, Kunde von Leben, Liebe und Leid aus versunkenen Zeiten.

Vor gut 30 Jahren hat Savall zusammen mit Figueras, Hopkinson Smith und Lorenzo Alpert das Ensemble Hespèrion XXI (damals noch: Hespèrion XX) gegründet und seitdem Versunkenes aus tausend Welten ans Licht, ans Ohr einer längst treuen musikinteressierten Öffentlichkeit befördert. So lauschte die Fangemeinde beglückt den vormitternächtlichen Geburtstagsfeierlichkeiten des Klangkörpers im Konzerthaus:

Hopkinson Smith war nebst der Savall-Familie wieder einmal mit dabei, Filigranstes auf Laute, Vihuela und Gitarre zupfend; und Pedro Estevan verlieh den Werken von Alonso Mudarra, Diego Ortiz, Marin Marais u. a. ihre zarte rhythmische Grundierung. Ein Abend so sanft, weich und leicht wie Watte. (end/DER STANDARD, Printausgabe, 28.01.2005)