Wien – Der Prozess ist kurz und schmerzvoll. Mehrmals fällt der Satz: „Sonst gibt es nichts zu sagen.“ Der junge Mann im Rollstuhl verkörpert das gesamte Elend, das er verursacht hat. Beide Unterschenkel fehlen ihm. Milz, Leber und Zwerchfell wurden aufgerissen. Überall in seinem Körper stecken Splitter.

Einem Auge fehlt die Linse, das andere hat den „Grauen Star“. Und, das Schlimmste: Seine 18-jährige Freundin Daniela ist tot. Ausgerechnet sie, der die Kriegsrelikte, die ihr Freund sammelte, immer unheimlich waren, hielt die Panzergranate in den Händen, als diese explodierte. Der Elektroinstallateur hatte sie angebohrt.

Fürs Museum

Er wollte einen Briefbeschwerer daraus basteln. Er ahnte nicht, dass das Geschoss scharf sein könnte. Mit dem suizidgefährdeten Angeklagten geht man im Gerichtssaal behutsam um. Er erinnert sich noch, dass er mit einem Freund in Mürzzuschlag war, um nach alter Munition zu suchen. Sie glaubten, etwaige Funde an Museen verkaufen zu können.

Panzergranate der Deutschen Wehrmacht

Mit einem Metalldetektor stieß sein Freund auf das Geschoss (eine Panzergranate der Deutschen Wehrmacht, Durchmesser 8,8 Zentimeter). „Er hat sie mir noch zugschupft“, sagt der 22-Jährige. Sie gingen davon aus, dass die Granate bereits abgeschossen war.

Schon ein fester Schlag hätte den Blindgänger zur Detonation bringen können, erklärt ein Experte vom Entschärfungsdienst des Innenministeriums. Beim Anbohren in der Wiener Wohnung explodierte die Sprengkapsel aufgrund der Reibungshitze.

Höhere Gewalt

Dem Angeklagten fehlt jede Erinnerung an die Stunden vor und nach dem Unglück. „Ich sehe nur noch einen kurzen Lichtfunken. Eine Explosion. Und es war aus“, sagt er. Der junge Schwerinvalide wird wegen „fahrlässiger Gefährdung durch Sprengmittel“ zu zwei Jahren Haft verurteilt, die Strafe wird ihm bedingt nachgesehen. „Ihnen hat schon eine höhere Gewalt gezeigt, was Sie getan haben“, sagt der Richter in der Urteilsbegründung. (Daniel Glattauer, DER STANDARD Printausgabe, 28.01.2005)