Am Ufer überrascht ein Bild, wie es in den ganzen Ostalpen nur wenige gibt: Der See, unter den dunklen Waldungen eingeschlossen, welche zu beiden Seiten von den Felszacken der näheren Gebirge überragt werden, bietet mit dem majestätisch im Hintergrund aufragenden Dachsteinmassiv mit seinen weißen Gletschern einen überwältigenden Anblick“. So beschreibt ein Reiseführer aus den späten 20er Jahren die Sicht vom Nordufer des Vorderen Gosausees zum Dachstein. Im dunkelgrünen See kommt eine besondere Saiblingsart vor, Schwarzreiter genannt; am Südufer gegenüber der Lärchwand kann man angeblich sogar ein sechssilbiges Echo erleben, was der Autor dieser Rubrik aber nicht zu bestätigen vermag.
Diese wunderschöne Stelle ist Ausgangspunkt einer beschaulichen, aber höchst abwechslungsreichen Wanderung zum Hinteren Gosausee, von dem man zwar den Dachstein nicht mehr sieht, aber – den 1880 im Bibliographischen Institut Leipzig erschienenen „Meyers Reisebüchern“ zufolge – „eines der großartigsten und schönsten Panoramen der Alpen“ vor Augen hat. Da liest man über den Hinteren Gosausee: „Dieser verhält sich zum ersten wie der wilde Traum zum klaren Gedanken. Der weite Blick in die hohe Welt ist gehemmt. Wir sehen das Eisfeld, aber den Dachstein sehen wir nicht mehr. Das Rundschauähnliche jener Gestade verschwindet, Erhebungen und Senkungen vom winterlichen Berg bis zum See stellen ein ungeheures Gewirr dar, vor welches der Maler keine andere Staffage stellen könnte als den Adler, der von einem Uferblock in die Trümmer schaut“. Das ist blumig, macht aber richtig Gusto auf die Wanderung.
Gleich am Beginn des Weges passiert man eine Informationstafel, auf welcher die Höhe des Dachsteins mit 3004m angegeben ist. Hier dokumentiert sich der Harm der Steirer und Oberösterreicher, die so gerne einen Dreitausender hätten. Es gibt ältere Karten mit Höhenkoten von 3002m und 3004m, tatsächlich ist der Dachstein „nur“ 2996m hoch – nach der neusten Bundesamtskarte sogar nur 2995m –, was seiner Schönheit und Bedeutung aber keinerlei Abbruch tut.
Die Wanderung zwischen den beiden Gosauseen ist überaus lohnend, nur schönes Wetter sollte man haben, damit man König Dachstein gebührend bewundern kann. Und auch die Sicht auf die bizarren Mauern und Spitzen des Gosaukamms mit Donnerkogel, Mandlkogel und Großwand möchte man natürlich nicht missen.
Vom Gasthaus am nördlichen Punkt des Vorderen Gosausees wandert man auf _einem Fahrweg das Ostufer entlang, steigt dann gemächlich über die Niedere Holzmeisteralm, die Gosaulacke – die mitunter austrocknet – und einen Wasserfall zum Hinteren Gosausee an, den man halb umrundet, um die Jausenstation auf der Hohen Holzmeisteralm zu erreichen. Gehzeit etwa 2 Stunden.
Der Rückweg folgt bis zum Südende des Vorderen Gosausees der Anstiegsroute, dort hält man sich links und wandert am Westufer wieder zum Ausgangspunkt zurück. Gehzeit ca. 2 Stunden.
Gesamtgehzeit 4 Stunden, Höhendifferenz 250 m; Jausenstation beim Hinteren Gosausee.
Bundesamtskarte 1:25.000 oder 1:50.000, Blatt 95 (St. Wolfgang)