Thomas Trenkler

Wien - Wäre die Zahl nicht vom Rechnungshof veröffentlicht worden, man hielte sie wohl für eine Falschmeldung: In der Österreichischen Galerie, die laut staatlichem Kulturbericht 1997 über 10.100 Kunstobjekte besitzen sollte, konnten rund 3200 (fast ein Drittel des Bestandes!) nicht aufgefunden werden. Die ganze Angelegenheit ist - wie auch die verschwundene Poiret-Stiftung (52 Zeichnungen, darunter 14 von Egon Schiele) - ein großes "Mysterium". Vielleicht ist diese transzendentale Komponente der Grund, warum das Kulturministerium den Sicherheitsbehörden keine Meldung erstattete - obwohl es ihm der Rechnungshof (RH) bereits vor Monaten im "Rohbericht" über das Museum empfohlen hatte. Welche Maßnahmen das Kulturministerium jetzt, nach der Veröffentlichung des "Endberichts", ergreift, gab man bisher nicht bekannt. Sicher, ein gut Teil der nicht aufgefundenen Werke ging an die Albertina, viele wurden an Behörden verliehen (und dort gestohlen), etliche sind in den ehemaligen Kronländern verschollen. Die vom Kulturministerium sanktionierte Gepflogenheit aber, die Millionenwerte einfach abzuschreiben, ist kaum der geeignete Weg, wie der RH kritisiert. Schließlich wurden bereits abgeschriebene Kunstwerke wieder aufgefunden. Der Rechnungshof trägt auch zur Klärung der Frage bei, warum man in der Österreichischen Galerie keine Unterlagen über die wertvolle Poiret-Stiftung finden konnte: Man skartierte einfach die Geschäftsstücke über die verschollenen Objekte - "sodass ein künftiger Nachvollzug über den Status der Werke ausgeschlossen wurde". Aber auch sonst stellt der RH dem Direktorat Gerbert Frodls ein miserables Zeugnis aus: Zwischen den Voranschlägen und den Jahresabschlüssen bestanden Abweichungen bis zu 258 Prozent. 1998 überstiegen die tatsächlichen Ausstellungskosten die veranschlagten um 42 Prozent. Man hielt die Verpflichtung, dem Kulturministerium den Jahresabschluss vorzulegen, wiederholt nicht ein - wie auch die Grundsätze ordnungsgemäßer Bilanzierung. Die Galerie verfügte über Bankguthaben, die nicht ausgewiesen wurden. Kunstankäufe im Wert von 17,5 Millionen wurden im Anlagevermögen nicht aktiviert. 1998 verschenkte die Galerie diverse Artikel wie Kataloge und Textilien im Wert von 1,2 Millionen. Die Kataloge wurden in der Regel unter dem Herstellungspreis verkauft. Wesentliche Buchungsunterlagen fehlten. Über die Anzahl der durchgeführten Vermietungen und Veranstaltungen sowie über die damit zusammenhängenden Erträge konnte sich der RH keinen Überblick verschaffen, weil Daten von den Festplatten gelöscht worden waren. Schlampereien sondergleichen entdeckte der RH im Zusammenhang mit der Monet-Ausstellung 1996. So wurde ein Kassabuch erst drei Jahre später, im März 1999, nachgeschrieben, "wobei der Verbleib einzelner Belege nicht mehr klarzustellen" gewesen sei. Laut Jahresabschluss stand dem Aufwand (23 Millionen) ein Ertrag von 26,3 Millionen gegenüber. Allerdings wurden die Vorlaufkosten "von mindestens 4,1 Millionen" nicht berücksichtigt. Ebenso wenig fanden die Erträge aus dem Katalogverkauf Eingang, weil die Anzahl der verkauften Exemplare nicht bekannt war - und mit 33.000 "lediglich geschätzt" wurde. Gegenüber dem STANDARD zeigte sich Frodl zerknirscht. Die Fehler seien zum Großteil bereits ausgemerzt worden. Er hätte sich schon seit Jahren einen Finanzprofi gewünscht, aber kein Gehör im Ministerium gefunden. Schließlich hätte der Stellenplan einen Controller nicht vorgesehen. Dem RH-Vorschlag, einen kaufmännischen Leiter einzusetzen, wurde mittlerweile mit der Bestellung von Wolfgang Findl entsprochen.