Istanbul - Die Türkei erwägt nach einem Zeitungsbericht
eine Kehrtwende in ihrer Irak-Politik. Das Außenministerium in Ankara
sei zu dem Schluss gekommen, dass die Übernahme hoher irakischer
Staatsämter durch kurdische Politiker im Interesse der Türkei wäre,
berichtete die Zeitung "Milliyet" am Freitag. Bisher hatte die
Regierung in Ankara das politische Erstarken der irakischen Kurden
durch die Parlamentswahl am vergangenen Sonntag mit großem Misstrauen
betrachtet und kritisiert; die Türkei befürchtet, dass die irakischen
Kurden einen eigenen Staat gründen wollen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass bald ein Kurdenstaat gegründet werden
könne, sinke, wenn kurdische Politiker in führenden Positionen der
neuen irakischen Zentralregierung in Bagdad vertreten seien,
argumentieren Experten des Außenamtes laut "Milliyet". Ein kurdischer
Politiker, der in Bagdad irakischer Staatspräsident,
Ministerpräsident oder Parlamentspräsident werde, könne sich als
Vertreter aller Iraker nicht sehr stark für die kurdische
Unabhängigkeit einsetzen, lautet die Überlegung.
Ankara befürchtet, dass ein Kurdenstaat im heutigen Nordirak die
Autonomiebestrebungen der kurdischen Minderheit in der Türkei
verstärken könnte. Dabei könne die Türkei "nicht Zuschauer bleiben",
hatte die Regierung in den letzten Tagen erklärt; selbst eine
Militärintervention wurde nicht ausgeschlossen. Das Thema Irak steht
auch beim Antrittsbesuch der neuen amerikanischen Außenministerin
Condoleezza Rice in Ankara an diesem Wochenende ganz oben auf der
Tagesordnung. (APA/AFP)