Wien - Beiried, Eierschwammerl, Erdäpfel, Faschiertes, Fisolen, Grammeln, Hüferl, Karfiol, Kohlsprossen, Kren, Lungenbraten, Marillen, Melanzani, Nuss, Obers, Paradeiser, Powidl, Ribisel, Rostbraten, Schlögel, Topfen, Vogerlsalat und Weichseln - auf diese kulinarische Auswahl reduziert sich das Österreichische Deutsch zumindest im offiziellen Rechtsbestand der EU. Einen Überblick über dessen Verwendung in der Union sowie die Geschichte des so genannten "Protokoll Nr. 10", das diese Ausdrücke im Beitrittsvertrag Österreichs verankert, gibt die von Heidemarie Markhardt verfasste Neuerscheinung "Das Österreichische Deutsch im Rahmen der EU" (Peter Lang Europäischer Verlag der Wissenschaften).

Durch die Verankerung im Beitrittsvertrag und dadurch im EU-Primärrecht werden diese Begriffe in offiziellen EU-Dokumenten gleichberechtigt (mit Schrägstrichen) neben den "offiziellen" deutschen Ausdrücken (Roastbeef, Pfifferlinge, Kartoffeln, etc.) genannt. Warum gerade Begriffe aus dem Lebensmittelbereich gewählt wurden, erklärt Markhardt im Gespräch mit der APA damit, dass die Schöpfer des Protokolls diesen als einen "für die Menschen besonders nahe liegenden" betrachteten. Als Praktikantin im Übersetzungsdienst der Kommission hatte sie bereits 1993 - also vor dem Beitritt Österreichs 1995 - ein Glossar über österreichische Ausdrücke im Rechts- und Verwaltungsbereich erstellt. Solche wurden aber nicht in das Protokoll aufgenommen. Offenbar identifizierten sich die Menschen mit diesen nicht so wie mit den "kulinarischen" Ausdrücken.

Längere Wunschliste

Ursprünglich war auf Wunsch Österreichs eine größere Anzahl von Ausdrücken für das Protokoll im Gespräch (Markhardt selbst erhielt 1993 vom Landwirtschaftsministerium eine Liste mit ca. 110 Wörtern, darunter "Blunzen", "Semmel" und "Stelze"). Übrig geblieben sind aber nur 23 - mit den "Paradeaustriazismen" Paradeiser und Erdäpfel, die laut Markhardt zwar im täglichen Sprachgebrauch eine immer geringere Rolle spielen, aber spontan mit "Österreichischem Deutsch" assoziiert werden. Die Verankerung der Austriazismen im Beitrittsvertrag sei "gezielt auf den Beitritt programmiert" gewesen, die Politiker hätten sich - laut Aussage eines Interviewpartners auf EU-Seite - davon rund fünf Prozent mehr bei der Volksabstimmung versprochen, meint Markhardt. Trotzdem sei das "Österreichische Deutsch" immer wieder ein Thema, wie sich zuletzt im "Marmeladestreit" zwischen Österreich und der EU gezeigt habe: "So schnell vergisst man das nicht."

Bei einer Erhebung unter Mitarbeitern des Sprachendienstes hat Markhardt herausgefunden, dass "Österreichisches Deutsch" einerseits als "belächelte Varietät" empfunden wird, über das bestimmte Klischees transportiert werden. Andererseits sei man sich aber durchaus bewusst, dass die Austriazismen identitätsstiftend wirken können und mit EU-Konzepten wie dem "Europa der Regionen" und dem "Subsidiaritätsprinzip" vereinbar. Immerhin ist das Protokoll die einzige im Primärrecht verankerte nationale Varietät.

Keine Verständnisprobleme

Die Übersetzer hätten im Allgemeinen keine gravierenden Probleme mit Austriazismen - auch nicht im Protokoll verankerte Ausdrücke würden im Kontext verstanden. Die Verständnisprobleme hätten sich auch mit dem verstärkten Kontakt auf EU-Ebene reduziert. Außerdem passten sich die Österreicher zum Teil an und würden Austriazismen vermeiden, so Markhardt.

Aber auch die umgekehrte Strategie werde verfolgt: So würden in manchen Fällen österreichische Ausdrücke verwendet, um sich von den Deutschen zu distanzieren. Letztere haben mit einem Problem übrigens nicht zu kämpfen: "Teutonismen" werden kaum als solche identifiziert. Auf eine entsprechende Interview-Frage in einem Fragebogen kam etwa die Antwort: "ES GIBT KEINEN TEUTONISMUS!" Dies sei aber in anderen Sprachen mit verschiedenen nationalen Varietäten (z.B. Französisch, Niederländisch) auch so: Man orientiere sich immer an der "größeren und wirtschaftlich stärkeren" Nation, die dann als "Standard" empfunden wird, so Markhardt. (APA)