Man hat dieser Regierung in familienpolitischen Angelegenheiten oft vorgeworfen, sie würde althergebrachte ideologische Schablonen vertreten und die Mütter mittels Kindergeld und anderer Maßnahmen tendenziell wieder heim an den Herd drängen.

Selbstredend haben die Vertreter/innen der Regierungsparteien dies immer weit von sich gewiesen. Was allerdings anlässlich der Bemühungen, ausländische Kinder beim Schuleinstieg zu mehr deutscher Sprachkompetenz zu zwingen, durchschlägt, bestätigt die Kritiker/innen der traditionalistischen Familienpolitik: Einmal ganz abgesehen davon, dass hier signalisiert wird, die Ausländer seien an den mageren Pisa-Ergebnissen schuld, fällt nämlich auf, dass in den Erklärungen des Bundeskanzlers und auch in allen Medien ausschließlich von den Müttern die Rede ist, die ebenfalls zur Erlernung des Deutschen gezwungen werden sollen!

Verstaubtes Rollenbild

Als seit einem Jahrzehnt in der psychologischen Vaterforschung tätiger Wissenschafter finde ich die hier durchschimmernde familienpolitische Haltung eingangs des dritten Jahrtausends höchst merkwürdig: Nicht nur, dass wir seit Langem wissen, dass die Vaterbeziehung - wie der führende deutsche Vaterforscher Wassilos Fthenakis gezeigt hat - insbesondere auch für die kognitiven und die Schulleistungen der Kinder eine wichtige Rolle spielt, lädt eine solche Politik automatisch den Frauen und Müttern die Hauptverantwortung für das familiäre "Schulmanagement" auf:

Der Papi kann derweil malochen oder einem anderen maskulinen Zeitvertreib nachgehen - er kann ja wegen Sprachinkompetenz keine Unterstützung in Schulsachen geben!

Aber auch darüber hinaus und ganz generell negiert dieses denkbar unglückliche familienpolitische Signal die Rolle das Vaters als wichtiger Bezugsperson für Kinder von klein auf - eine Haltung, die man verstaubten entwicklungspsychologischen Lehrbüchern, nicht aber moderner Familienpolitik verzeihen kann.

Nun könnte man einwenden, dass erstens manche der ausländischen Mitbürger/innen ja tiefstes Patriarchat aus ihren Heimatländern mitbringen und deshalb ohnehin keinen Finger rühren würden. Und zweitens, dass - wie die Geschlechterverteilung auf Elternsprechtagen zeigt - Schule auch bei uns hauptsächlich Frauen- und Müttersache ist. Abgesehen davon, dass "Patriarchat" noch nicht identisch ist mit Nichtkümmern um die Kinder: Wie ist es aber - erstens - damit, dass wir doch auch in anderen kulturellen Bereichen wollen, dass die ausländischen Mitbürger/innen sich den Gepflogenheiten unserer Kultur annähern? Und kann es - zweitens - im Jahr 2005 wirklich eine seriöse familienpolitische Option sein, dass auch die inländischen Väter weiterhin die Hände in den Schoß legen und die Mütter neben Doppelbelastung durch Arbeit und Haushalt auch noch die Schulgeschichten (weiterhin) ganz allein ausbaden?

Der Bundeskanzler hat bei Regierungsantritt verkündet, Österreich werde unter seiner Führung zum kinderfreundlichsten Land Europas heranwachsen; wer aber den Kindern - wodurch auch immer - den Vater vorenthält oder ihn an den Rand stellt, betreibt mit Sicherheit keine kinderfreundliche Politik. (DER STANDARD-Printausgabe, 16.2.2005)