Wo noch Platz ist, wird er mit Betten gefüllt

Wien – Die Zahl der Häftlinge in österreichischen Gefängnissen hat einen neuen Höchststand erreicht. Mit Stand 14. Februar 2005 kamen auf rund 8000 Haftplätze bereits 9060 Häftlinge. Rund ein Viertel davon sind U-Häftlinge.

Damit sei man unter Ausnutzung der letzten Reserven am Limit der Ressourcen angelangt, erklärte der Sprecher des Justizministerium, Martin Standl, am Dienstag. Zum Vergleich: Im Jänner 2000 betrug die Gesamthäftlingszahl 6804.

Fertigbau-Gefängnis

Kurzfristig müssen nun Zellen stärker belegt und sogar zusätzliche Betten aufgestellt werden. Mittelfristig behelfe man sich auch mit so genannten "Modulsystemen", sagte Standl. Das seien "echte Gefängnisse" mit allen Sicherheitsstandards, aufgestellt in Fertigbauweise.

Neubau oder Adaptierung

Langfristig sei unter anderem der Bau eines zweiten Straflandesgerichts in Wien geplant. Hier fehle allerdings noch das O.k. des Finanzministeriums. Wie berichtet, ist aber der Großteil der Wiener Richter und Staatsanwälte strikt gegen einen Neubau. Adaptierungen bestehender Gebäude wären ausreichend und vor allem billiger.

Grasser schweigt

Zur Lösung der Häfenmisere fordert das Justizministerium auch mehr finanzielle Mittel vom Bund. "Leider ist das im Bundeskanzleramt und im Finanzministerium bisher verhallt", kritisierte Standl.

Für die Opposition ist die angespannte Situation hinter Gittern das Resultat einer verfehlten Regierungspolitik. Es sei keine Lösung, ständig nur neue Gefängnisse zu bauen, sagte Grünen-Justizsprecherin Terezija Stoisits. Sie fordert die Forcierung von bedingten Entlassung.

U-Haft reduzieren

SP-Justizsprecher Hannes Jarolim sprach sich für eine Reduzierung der U-Haft und für alternative Formen des Strafvollzugs, wie zum Beispiel Hausarrest und mehr gemeinnützige Tätigkeiten statt Gefängnis, aus. Über bedingte Entlassung sollte nicht allein das Gericht, sondern eine Vollzugskommission entscheiden. Diese sollte aus dem Staatsanwalt, einem leitenden Vollzugsbediensteten und einem Sozialarbeiter der Bewährungshilfe bestehen.

"Risiko"

Hohe Gefangenenraten seien kein Erfolg der Justiz, sondern eher ein Risiko, betont Arno Pilgram vom Wiener Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie. Eine Analyse von 27.000 Haftentlassungen zwischen 2001 und 2004 in ganz Österreich habe gezeigt, dass bedingte Entlassung in verschiedenen Gerichtssprengeln extrem divergent gehandhabt würden. In Krems etwa sei man bei Entlassungen 30- mal strenger als in anderen Orten. Gerichtssprengel im Westen würden dagegen großzügiger entlassen. (APA, simo)