Wien - Für die ÖVP ist sie das ideologische Feindbild erster Klasse: die Gesamtschule. Seit Pisa 2 werden aber wieder Forderungen nach einer späteren Trennung der Kinder in Hauptschulen und Gymnasien lauter. Auch OECD-Chefanalyst Andreas Schleicher empfiehlt eine spätere Verteilung der Kinder auf die unterschiedlichen Schulformen, um negative Einflüsse des sozialen Herkunftsmilieus länger kompensieren zu können. Die Gesamtschulgegner sagen: Schwache Schüler ziehen die starken nach unten und drücken das Niveau.

Stimmt nicht, zeigt eine neue Studie der Volkswirtin Nicole Schneeweis an der Uni Linz. Sie analysierte anhand der Pisa-1-Daten die Ergebnisse von rund 3500 Schülerinnen und Schülern im Hinblick auf den Einfluss der "Peer-Group", also die sozioökonomische Zusammensetzung der Mitschüler, auf die Leistung der einzelnen Schüler.

Es waren "beachtliche Effekte" zu beobachten, sagt Schneeweis im STANDARD-Gespräch: "Mitschüler haben großen Einfluss auf die Leistungen der anderen Schüler. Je höher der sozioökonomische Status der Eltern der Peer-Gruppe, desto besser sind auch die Schüler."

Besonders interessant ist, dass der Effekt asymmetrisch ist: "Schüler, deren eigener Status hoch ist, sind weniger beeinflusst. Bei Schülern mit geringerem Status ist der Effekt der Mitschüler größer. Diese kompensieren quasi das, was die Eltern der Schwächeren nicht leisten können."

Weiters gilt: "Je höher die eigene Leistung, desto geringer wird der Peer-Effekt. Die besten Schüler in der Klasse sind kaum beeinflusst von ihren Mitschülern." Die Befürchtung, dass gemeinsamer Unterricht einen Fahrstuhleffekt nach unten mit sich bringen könnte, ist unbegründet.

Eine integrativeres Schulsystem bewirke, dass "Schüler mit geringem Status und die Leistungsschwachen davon profitieren, die sehr guten Schüler aber weniger beeinflusst sind und kaum benachteiligt werden", erklärt Nicole Schneeweis. "Integration verbessert die Gesamtleistungen der Klasse." Bildungspolitisch heißt das: "Eine Gesamtschule könnte die Gesamtleistung steigern - allein durch eine bessere Durchmischung der Kinder, ohne zusätzliche Ressourcen und ohne Nachteil für besonders begabte Kinder."

(Lisa Nimmervoll/DER STANDARD-Printausgabe, 17.2.2005)