Grafik: un.org
Es war ein mutiges Maßnahmenpaket, das da 1995 auf der vierten Weltfrauenkonferenz in Beijing beschlossen worden war: Mit der Aktionsplattform "Platform for action" (siehe "Wissen" ) verpflichteten sich die Unterzeichnerstaaten damals einstimmig, Frauendiskriminierung in ihren Ländern abzubauen und für Geschlechtergerechtigkeit zu sorgen.

Zehn Jahre später wird nun Bilanz gezogen: Von 28. Februar bis 11. März 2005 fand in New York das "Beijing+10 Review", die Überprüfungskonferenz zur Umsetzung der Aktionsplattform, statt. Im Rahmen der 49. Sitzung der Frauen-Status-Kommission der UNO (UN-Commission on the Status of Women, CSW) wurde die Implementierung der Plattform in den Unterzeichnerstaaten untersucht, bewertet und neue Strategien überlegt. Österreich wurde dabei durch eine Delegation rund um Frauenministerin Maria Rauch-Kallat vertreten.

Fragebogen

Um Einblick in die frauenpolitischen Entwicklungen der Länder nehmen zu können, wurden die UN-Staaten aufgefordert, der CSW mittels Fragebogen über die Umsetzung der Plattform Bericht zu erstatten. 134 Länder kamen der Aufforderung nach. Für Österreich antwortete im Juni 2004 das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen: Der 19-seitige Bericht bezieht sich auf den Zeitraum von Juni 1999 bis Dezember 2003. Er nimmt Stellung zu allen Aktionsbereichen der Plattform von Peking und umfasst u.a. gesetzliche Änderungen zur Gleichbehandlung, Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, die Position von Frauen im Erwerbsleben sowie in Gesundheit, Bildung und Gesellschaft.

"Am Ziel vorbei"

"Eine bemühte Übung, die am Ziel vorbeigeht", kritisiert Brigid Weinzinger, Frauensprecherin der Grünen, die heimische Beantwortung des Fragebogens. "In den letzten fünf Jahren ist in Österreich nämlich frauenpolitisch nichts passiert, umgesetzt wurden lediglich familienpolitische Maßnahmen." Die Ziele seien noch lange nicht erreicht, deshalb "sollen wir bei der Peking+10-Konferenz auch nicht so tun, als würden wir schon alles perfekt machen." Die Umsetzung des Aktionsplans mangele vor allem bei der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt und beim Abbau von Rollenklischees.

Kritik übt Weinzinger auch daran, dass keine NGO in die offizielle Delegation aufgenommen wurde: "Es ist beschämend, dass gerade bei einer Frauenkonferenz keine einzige NGO in der österreichischen Delegation vertreten ist, was früher durchaus üblich war. Die Institutionen bekommen lediglich auf Antrag einen Zuschuss von 700 Euro zu den Reisekosten. Wer kein Delegationsmitglied ist, darf aber in New York auch nicht bei den wichtigen Debatten dabei sein und bleibt damit nur am Rande des Geschehens."

"Sollten Vorbild sein"

Dass in punkto Geschlechtergerechtigkeit in Österreich noch lange nicht alles eitel Wonne sei, unterstreicht auch die SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende Barbara Prammer: "Von Gleichheit zwischen Mann und Frau kann auch in Österreich nicht gesprochen werden – und das, obwohl Österreich bei der Umsetzung Vorbild sein sollte", bemerkt die zweite Präsidentin des Nationalrats. Sie kritisiert dabei unter anderem die weit auseinanderklaffende Einkommensschere und das mangelnde Gender Budgeting, etwa bei "unbezahlter Arbeit von Frauen, die nicht in das Bruttosozialprodukt eingerechnet wird, obwohl sie große ökonomische Bedeutung hat."

Auszubauen seien auch die Maßnahmen gegen Gewalt, denn: "Die Zahl der Interventionsstellen ist seit in Kraft treten des Gewaltschutzgesetzes 1997 nicht erhöht worden. Und wir brauchen dringend ein Anti-Stalking-Gesetz zum Schutz vor Psychoterror."
Zu "Peking 10+" meint Prammer: "Natürlich sind in den vergangenen zehn Jahren Fortschritte gemacht worden, doch langsam und ungleichmäßig. Deshalb müssen die Forderungen, die in Peking in der Aktionsplattform festgeschrieben wurden, aufrecht bleiben und endlich umgesetzt werden. Diese Forderungen müssen bei der Session der UN-Frauen-Status-Kommission in New York wiederholt und unterstrichen werden."

"Endlich Taten sehen"

"Endlich Taten sehen" will das Netzwerk WIDE - Women in Development Europe, die sich in einer gleichnamigen Tagung in Wien über Peking+10 Gedanken machte. Für sie hat die "einstmals sehr kämpferische Frauen-Status-Kommission viel an ihrem Schwung verloren." Es werde aller Anstrengung bedürfen, um die Anliegen der Aktionsplattform aufrecht zu erhalten, meint WIDE, denn: "Das größte Problem ist, dass dieser Prozess sehr wenig öffentlichkeitswirksam ist und auf diese Weise Frauenpolitik wieder mehr und mehr als 'Nebensache' behandelt wird."

Viel größeres Interesse werde demgegenüber auf die im Jahr 2000 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommenen Milleniums-Entwicklungsziele (MDGs) gelegt. Für deren Überprüfung findet im Herbst 2005 ein eigener Gipfel in New York statt. Die Kritik von WIDE: "MDGs nennen zwar 'Gleichstellung und Empowerment von Frauen' als wichtigstes Ziel, eine geschlechtsspezifische Sichtweise ist aber keineswegs in alle Ziele integriert."

Sitzungen und Diskussionen

Plenumssitzungen sowie mit ExpertInnen und RegierungsvertreterInnen besetzte Round-Table-Diskussionen bildeten den Kern der New Yorker Konferenz. Und es gab viel zu diskutieren geben, weiß Rachel Mayanja, Beraterin für Genderfragen und Förderung von Frauen des UN-Generalsekretärs: "Viel wurde schon erreicht seit Peking 1995: Es wurden gerechtere Gesetze geschaffen, die Frauen vor Diskriminierung, Missbrauch und Gewalt schützen. Es muss jedoch noch viel mehr zur Umsetzung der Aktionsplattform geschehen, besonders bei der Bekämpfung von Armut, bei der Gesundheit, in der Schaffung von Chancen in Politik und Wirtschaft und im Kampf gegen die Verletzung der Menschenrechte." Isabella Lechner