Professor Rupert Riedl, einer der wenigen Wissenschafter, die sich mit Recht "Biologen" nennen können.

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Wien – Mit einem neuen Buch mit dem Titel "Weltwunder Mensch oder Wie wir gemacht sind" (Seifert Verlag) macht sich der Wiener Biologe Rupert Riedl quasi selbst ein Geburtstagsgeschenk zum Achtziger. Er gibt darin Geschichten wieder, mit denen er nach eigenen Angaben seinen Töchtern über seine Forschungsarbeiten berichtete. Riedl feierte am 22. Februar seinen 80. Geburtstag.

Riedl ist einer der wenigen Wissenschafter, die sich mit Recht "Biologen" nennen können: Es ist ihm nicht nur gelungen, in mehreren Teilgebieten dieser Disziplin echte Standardwerke zu schaffen, er hat bei aller Genauigkeit im Detail auch den Blick für "das Ganze" nicht verloren. Seine fachübergreifenden Arbeiten stießen bei den reinen Spezialisten nicht immer nur auf Gegenliebe.

Riedl leitete Österreichs erste Nachkriegs-Expedition

Schon in Studentenzeiten bewies der angehende Zoologe seine Führungsqualitäten. So leitete er 1948/49 die erste Nachkriegsexpedition ("Unterwasser-Expedition Austria"), die unter anderem nach Sizilien führte. Es folgten Studienaufenthalte an verschiedenen marinbiologischen Stationen am Mittelmeer und an der Nordsee. Aufgrund seiner Expeditionserfahrungen war Riedl später auch maßgeblich am Aufbau der österreichischen meeresbiologischen Studentenkurse beteiligt. Seine erste Anstellung erhielt Riedl 1953 als wissenschaftliche Hilfskraft am Zoologischen Institut der Uni Wien bei dem bekannten Anatomen Karl Marinelli.

Vom Meeresforscher zum Theoretiker

Rupert Riedl, seit 1956 verheiratet, habilitierte sich 1960 für "Zoologie unter besonderer Berücksichtigung der Morphologie und Meereskunde". Auf dem Gebiet der Meereskunde veröffentlichte er seine ersten bahnbrechenden Arbeiten und Bücher, darunter "Die Biologie der Meereshöhlen" sowie "Fauna und Flora der Adria". Letzteres Werk erweiterte er später zur 800 Seiten starken "Fauna und Flora des Mittelmeeres" (kurz "Der Riedl" genannt), das mit Abstand umfassendste Werk über das Mittelmeer.

1967 folgte der Meeresforscher einer Einladung durch die National Science Foundation als Gastprofessor an die University of North Carolina (USA), wo er ein Jahr später zum Full Professor und gleichzeitig Research Professor of Marine Sciences an die dortigen Meeresstationen berufen wurde. Riedl kehrte 1971 an die Universität Wien als Ordinarius des Zoologischen Institutes zurück und gründete in der Folge die Abteilungen Meeresbiologie und Ultrastrukturforschung sowie Theoretische Biologie.

Evolutions-Theoretiker

Die weiteren wissenschaftlichen Arbeiten Riedls beschäftigten sich zumeist mit der Evolutionsforschung, es folgten Bücher wie "Die Ordnung des Lebendigen" (1975), "Die Strategie der Genesis" (1976), "Evolution und Erkenntnis" (1982), "Die Spaltung des Weltbildes" (1985), "Kultur-Spätzündung der Evolution" (1987), "Der Wiederaufbau des Menschlichen" (1988) oder "Biologie der Erkenntnis. Die stammesgeschichtlichen Grundlagen der Vernunft" (1988). 1987 war er Mitherausgeber von "Entwicklung der evolutionären Erkenntnistheorie". Riedls Beitrag zur evolutionären Erkenntnistheorie war vor allem der Vergleich des Entstehens unserer Denkordnung mit dem Entstehen von Ordnung in der Natur, die Begründung der Ersteren durch Letzteres.

In den folgenden Jahren engagierte sich der Vater zweier Töchter zunehmend für den Umweltschutz. So war er 1983 in der "Hainburg-Bewegung" aktiv und äußerte sich als einer der drei Präsidenten des "Forums österreichischer Wissenschaftler für den Umweltschutz" auch kritisch zu Fragen wie Umweltschutz und EU-Mitgliedschaft und forderte verstärkte Umweltbildung in der Bevölkerung.

"Die Gärten des Poseidon"

1989 kehrte der Professor noch einmal an die Wirkungsstätte seiner Jugend zurück. In dem Buch "Die Gärten des Poseidon", das auch Grundlage für eine mehrteilige Dokumentationsserie des ORF wurde, zeigte Riedl Schönheiten, aber auch die nachhaltigen Veränderungen im europäischen Mittelmeer auf, die der Mensch in den letzten Jahrzehnten verschuldet hat.

Nach dem Tod von Konrad Lorenz gründete Riedl 1990 das nach dem Nobelpreisträger benannte Institut für Evolutions- und Kognitionsforschung in der ehemaligen Lorenz-Villa in Altenberg. Das Institut beschäftigt sich, aufbauend auf der von Lorenz mit begründeten Evolutionstheorie, mit der Entwicklung der Theorie des Verhaltens und der Kognition.

Seinen wissenschaftlichen Werdegang von der Meeresbiologie über die vergleichende Morphologie und Anatomie zur theoretischen Biologie hat der mittlerweile emeritierte Professor nach eigenen Angaben schon sehr früh in groben Zügen geplant und auch weitgehend eingehalten. Wobei die Übergänge zu den jeweiligen Fachgebieten durchaus fließend waren. In sein Schaffen in der theoretischen Biologie, das als Krönung der wissenschaftlichen Arbeit Riedls angesehen wird, fließen nicht nur seine biologischen Kenntnisse ein, vielmehr entwickelte er sich ganz bewusst zum "Generalisten". Auch Elementarphysik, Kosmologie, Chemie und nicht zuletzt die menschliche Kultur sind wichtige Bestandteile seiner späteren Werke. (APA)