Wo früher zu viele zu wenig zu sagen hatten, versucht der neue SPÖ-Kommunikationschef Josef Kalina die wesentlichen Botschaften herauszufiltern und für seinen Chef Alfred Gusenbauer aufzubereiten.

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Wien – Das Büro von Josef "Jo" Kalina wirkt wie eine kleine Kommandatur. An der Wand vis-à-vis seines Schreibtisches hängt eine riesige Kalendertafel, auf der man Termine eintragen und auch schnell wieder weglöschen kann. Ich bin flexibel, ich will schnell reagieren, signalisiert sie. Auf der Flipchart daneben hat der neue Kommunikationschef der SPÖ mit markigen Strichen ein Diagramm der Parteikommunikation gezeichnet, wie er sich das vorstellt. Oben- auf steht die Parteizentrale, darunter sind viele nachgeordnete Kasterl skizziert.

Kalina hält sich zugute, in den ersten vier Wochen nach Amtsantritt zu Februarbeginn Ordnung geschaffen zu haben in das, was der politische Gegner "Zickzackkurs der SPÖ" nennt. Obenauf auf seinem Schreibtisch liegt eine rote Fächermappe, darauf steht "Bildung". SPÖ-Parteichef Alfred Gusenbauer habe die ÖVP mit seiner Forderung, die Zweidrittelmehrheit für Schulgesetze abzuschaffen, vor sich hergetrieben, glaubt Kalina. Mit dem Vorwurf, die ÖVP wolle hinterrücks Schulgeld einführen, habe er den Druck weiter erhöhen können. Als nächster Schritt soll die "Kommissionitis" von Bildungsministerin Elisabeth Gehrer angeprangert werden. "Bildung ist eines der wichtigsten Themen für Gusenbauer, und da ist er total fit", sagt Kalina.

Beobachter der politischen Szene orten in den letzten Wochen einen gewissen "Kalina- Effekt". Ifes-Forscherin Imma Palme: "Es ist von der SPÖ zuletzt nicht mehr so viel Widersprüchliches zu hören." Politik-Marketingberater Christian Scheucher hat den Eindruck, dass "die inhaltliche Vorarbeit für Gusenbauer jetzt besser funktioniert". Bei jenem "ZiB 2"-Auftritt, bei dem der SPÖ-Chef auch heikle Fragen wie jene, warum seine Tochter in die Privatschule Lycée geht, wenn ihr Vater als Politiker für die Masse zu argumentieren hat, beantworten musste, habe er gut vorbereitet gewirkt. Einschränkender Nachsatz: "Aber die Anlieferung der Ware ist noch etwas holprig." Reinhold Lopatka, als ÖVP-Generalsekretär für die Feindbeobachtung zuständig, meint: "Also viel von einem Kalina-Effekt habe ich noch nicht bemerkt."

"Abkanzler" Schüssel "Entscheidend sind immer die Akteure, nicht die, die in den hinteren Linien stehen", meint die Pressesprecherin von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, Heidi Glück. Sie müsste den neuen Wind aus der roten Parteizentrale am ehesten merken, schließlich zählt auch die Fokussierung auf den "Abkanzler" Schüssel zu Kalinas neuer Strategie. Kalina: "Wir werden ihn in Zukunft noch viel stärker in den Mittelpunkt der Kritik stellen, da waren wir zuletzt zu sehr auf den Konflikt Rot-Blau konzentriert." Glück kommentiert das trocken: "Den Kalina-Effekt merke ich nur insofern, dass Herr Kalina persönlich öfter in den Medien vorkommt, nicht aber sein Chef Gusenbauer. Er scheint der Einzige in der SPÖ zu sein, der eine positive Presse bekommt." Glück zielt damit auf einen altbekannten Vorwurf ab: Kalina zählte schließlich zu jenen Politikberatern rund um Ex-Kanzler Viktor Klima, die es nicht nur verstanden, ihren Chef, sondern auch ihre eigenen Verdienste als vermeintliche "Spin-Doktoren" herauszustellen.

Parallelen zu seiner Tätigkeit bei Klima will Kalina keine herstellen. "Gusenbauer ist ein politisch sehr gebildeter Mensch, man muss ihm keine Sätze vorgeben, es reicht, wenn man ihm die relevanten Fakten zusammenstellt."

So versorgte ihn Kalinas Kommandatur etwa vor dem Bildungsgipfel mit penibel recherchierten Dossiers zu allen Anwesenden. Wenig später wurden die Journalisten mit einer Zusammenstellung aller Aussagen für und gegen Schulgeld von ÖVP-Politikern gefüttert – und damit es auch alle verstehen, hatte die SPÖ auch Zitate angefügt, in denen sich Gehrer noch dezitiert gegen die von ihr dann später eingeführten Studiengebühren ausgesprochen hat.

Auf Startklar-Tour Solches Agitationsmaterial aus roter Hand war zuletzt Mangelware gewesen, wie überhaupt die Kommunikationsabteilung der SPÖ aus einem für die meisten Journalisten undurchschaubaren Neben- und Gegeneinander von Personen und Kompetenzen bestand. Kalina hat nicht nur tägliche "Morgen- und Abendstehungen" eingeführt, bei denen die strategischen Tagesziele definiert und ihr Erfolg überprüft wird. Einmal pro Woche ruft er zu einer inhaltlichen Koordinierungsrunde, bei der der engste Führungszirkel, aber auch Fachleute anwesend sind. Solche Strukturen sind in anderen Parteien gang und gäbe. Im übrigen gilt: Alle Journalistenkontakte laufen im Zweifelsfall über ihn. "Kalina hat die Zügel in die Hand genommen. Jede ordnende Hand tut gut. Bislang hatten in der SPÖ zu viele zu wenig zu sagen", meint Kommunikationsberater Peter Menasse.

Neben Kalinas roter "Bildungsmappe" liegt eine ebenso dicke, die die Aufschrift "Strukturorganisation" trägt. In Zukunft soll es einmal pro Woche auch eine Videoschaltung mit allen roten Bundesländerkommunikatoren geben, und wie sein Chef geht auch Kalina auf "Startklar"- Tour durch Österreich: Er besucht alle Landesorganisationen. Nicht zuletzt mit dieser persönlichen Charmeoffensive scheint Kalina eines gelungen zu sein: Die ärgste Kritik am "Bunker", wie die Parteizentrale im internen Parteijargon zuletzt geschimpft wurde, ist fürs erste verstummt. (DER STANDARD, Barbara Toth, Printausgabe, 26./27.2.2005)