Ja, das hat etwas von einem Heimatfilm. Nein, hier ist nicht von Nazis die Rede, auch nicht von Narzissen, sondern vom schönen Narziss und seinen Epigonen. Narziss ist dieser Jüngling aus der griechischen Mythologie, den die Götter mit einer unstillbaren Liebe zu seinem eigenen Spiegelbild bestraft haben.

Narzissland lebt, und es heißt Österreich. Anders wäre es nicht erklärbar, warum seit Wochen mit Hingabe über die eigene Befindlichkeit diskutiert wird. Die Mitgliedsstaaten der EU fanden es alarmierend, dass eine extrem rechts-populistische Partei nun mit an der Regierung ist.

Nicht, weil sie selbst keine Probleme mit rechtspopulistischen, ausländerfeindlichen Strömungen hätten, sondern weil sie gerade deswegen entsetzt waren, dass eine solche Bewegung im wahrsten Sinn des Wortes "salonfähig" gemacht wurde - jetzt gehen diese Damen und Herren im Bundeskanzleramt ein und aus. Und was hat das in Österreich bewirkt? Man ist empört. Und man richtet diese Empörung gegen die "ungerechten" Sanktionen. Jede Kleinigkeit wird hochgespielt, als wäre man täglich von unsäglicher Diskriminierung betroffen.

Ausführlich wird darüber geredet, ob nun beim EU-Gipfel in Lissabon ein "Familienfoto" zustande gekommen ist. Und auch des Kanzlers Outfit kann nicht unkommentiert bleiben. Er trägt Krawatte, kein Mascherl. Das wird ja nun wirklich seinen KritikerInnen den Wind aus den Segeln nehmen. Wo sie doch allenthalben versucht haben, durch Aufkleber mit durchgestrichenem Mascherl den Kanzler, die Regierung, das Land zu desavouieren.

Eigentlich beschäftigte sich dieser EU-Gipfel mit Konzepten gegen die Arbeitslosigkeit. Aber was zählt das schon, wo man "beleidigt" ist? Dabei wäre es ganz einfach, um mit diesen - außer für Regierungsmitglieder und ihre Beamten kaum spürbaren - Sanktionen ein für alle Mal Schluss zu machen: Die Regierung könnte ja zurücktreten.

Apropos Narziss und seine Epigonen: Ein neues Inselspiel neben dem "Wir spiegeln-uns-im-Alpenwasser-und-finden-uns-wirklich-sehr-nett" (ein Spiel für Regierungsfans und für Verfechter eines demokratischen Aufbruchs) ist im entstehen begriffen: "Ist-Jörg-Haider-schwul-und-woran-merkt-man-das?"

Vorteile für Wirtschaft

Mir ist egal, ob Jörg Haider schwul ist. Was mir nicht egal ist, ist seine Politik. Und mir ist nicht egal, wie im Schatten der Selbstbespiegelungsorgien ein Mix an grenzenloser Marktwirtschaft und rückwärts gerichteter Ideologie durchgesetzt wird. Begonnen hat das mit der Eingliederung der Arbeitsagenden in das Wirtschaftsministerium. Die lohnabhängigen Menschen müssen eben endlich demütig zur Kenntnis nehmen, dass alles, was der Wirtschaft nützt, ohnehin nur zu ihrem Vorteil ist.

Zurück zum Anfang dieses Jahrhunderts. Weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit, Aushöhlung der Gewerkschaftsrechte, Kostensenkungen für Unternehmen, Ausverkauf staatlicher Infrastruktur, das alles steht im Regierungsprogramm. Und Gesetzesbrüche von Steuerhinterziehern vor 1993 sollen per Gesetz amnestiert werden. Bei der Abschaffung der anonymen Konten wäre Schwarzgeld ja aufgeflogen. Dass der Wirtschafts- und Arbeitsminister selbst ein milliardenschweres Pharmaunternehmen besitzt, ist da wirklich nur mehr eine Draufgabe.

Die ersatzlose Abschaffung der Getränkesteuer klingt gut. Aber sehen wir genauer hin: Die Gemeinden sind unter anderem zuständig für pflegebedürftige Menschen, für Kindergärten. Ob sie dafür noch genug Geld haben werden? Apropos Kinderbetreuungsplätze: Ministerin Sickl ließ wissen, dass mit 133 Mio. Schilling 30.000 neue Betreuungsplätze geschaffen werden sollen. Dann kostet ein solcher Platz also 4.433 S. Bisher waren dafür rund 100.000 S zu veranschlagen.

Damit nicht genug: Die 133 Millionen sind gar nicht neues Geld der Regierung, es handelt sich dabei um den bereits vertraglich gebundene Rest der Kinderbetreuungsmilliarde aus dem Vorjahr. Ist es Inkompetenz oder ein bewusstes Täuschungsmanöver? Für die Betroffenen macht es letztlich keinen Unterschied: Sollen die Frauen doch daheim und abhängig bleiben. Was ist das schon gegen die bösen Sanktionen der EU-Länder?

Würde die Regierung sich selbst ernst nehmen, müsste sie ihr Programm sofort ändern. Anders als es die Überschrift "Integration" vermuten ließe, finden sich dort vom Vollzug des Asylgesetzes ohne Rücksicht auf Verluste bis hin zur Senkung der Zuwanderungsquote gegen null fremdenfeindliche Bestimmungen - Punkt für Punkt übernommen aus dem FP-Papier "Ideen 2000". Schlögls Politik wird auf die Spitze getrieben. Jetzt werden auch noch die allerletzten Punkte des Ausländervolksbegehrens umgesetzt.

Ungestrafte Hetze

FP-Politiker können unterdessen ungestraft gegen den Präsidenten der Israelitischen Kulturgemeinde hetzen, Unterschriftenaktionen gegen die antirassistische Haltung von Gertraud Knoll sammeln, es bleibt unwidersprochen, wenn die Wiener FPÖ die Gruppe der "Ex-Ausländer" einführt, die, allzu schnell eingebürgert, "mit einem Tross an nicht-eingebürgerten Familienmitgliedern" in Gemeindebauten einzögen.

Die ÖVP jedenfalls verlangt einen "nationalen Schulterschluss" gegen die Sanktionen und lobt die FPÖ über den grünen Klee. Erst kürzlich ließ Kanzler Schüssel in News wissen, Jörg Haiders Sprüche würden "oft weit über ihre eigentliche Bedeutung aufgeblasen". Im Dritten Reich habe es eine "ordentliche Beschäftigungspolitik" gegeben? Ja, meine Güte. SS-Offiziere seien "ehrenwerte Männer". Naja, ihre Ehre ist halt Treue.

Das "befreit" auch die ÖVP und so kann Klubobmann Khol den Austrofaschisten Dollfuß in einer parlamentarischen Ausschusssitzung ruhig einen "Märtyrer Österreichs" nennen. Schuld an der ganzen Misere sind die anderen. Das Ausland. Die österreichischen Kritiker. Weil sie nicht sehen, wie die Regierung wirklich ist. Sie sollten sie gefälligst so sehen, wie sich die Regierung selbst sieht: so schön.

Eva Rossmann lebt als freie Publizistin in Wien.