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Paul Schäfer im Medien-Bad vor seiner Abreise nach Chile.

foto: REUTERS/STRINGER/ARGENTINA
Santiago de Chile - Der chilenische Arzt Luis Peebles ist nach eigenen Angaben von dem früheren Chef der berüchtigten Deutschen-Siedlung "Colonia Dignidad" in Chile, Paul Schäfer, gefoltert worden. Nach einer von dem Richter Joaquin Billard angeordneten Gegenüberstellung mit dem 83-jährigen Deutschen sagte Peebles am Dienstag, Schäfer habe damals in der hermetisch von der Außenwelt abgeschirmten Enklave im Süden des Landes "alles unter seiner Kontrolle" gehabt.

Der Arzt berichtete, er selbst und andere Opfer seien dort mit Elektroschocks gequält, in enge Kisten gepfercht, mit kaltem Wasser begossen und ohne Nahrung gelassen worden. Peebles äußerte sich auch zu seinen Eindrücken vom Zustand Schäfers. Der Deutsche sei bei "klarem Verstand und aufmerksam" gewesen und habe "den Unwissenden nur gespielt", sagte der Arzt gegenüber der Zeitung "La Tercera".

Billard ermittelt wegen des Verschwindens des Gegners der Militärdiktatur (1973-1990), Alvaro Vallejos, 1974 in der deutschen Enklave. Über das Ergebnis einer weiteren Gegenüberstellung mit einem früheren Geheimpolizisten wurde zunächst nichts bekannt. Ein zweiter ehemaliger Agent der Geheimpolizei Dina, der ebenfalls vorgeladen war, hielt sich im Ausland auf.

Politikexperten meinen, es könne für das Ansehen Chiles peinlich werden, wenn Paul Schäfer sein ganzes Wissen preisgibt. Denn seine "Kolonie der Würde" wäre ohne Unterstützung der jeweils Machthabenden nicht möglich gewesen.

Schon Mitte der 60er-Jahre berichteten Flüchtlinge über brutale Unterdrückung, Folter und sexuellen Missbrauch in der Siedlung. Doch die damals herrschende demokratische Regierung verfolgte diese Vorwürfe kaum. In den folgenden zwei Jahrzehnten der Militärdiktatur unter Pinochet war die "Colonia Dignidad" geradezu unantastbar.

Elektroschocks

Dabei lassen Berichte von früheren Mitgliedern keine Zweifel zu, dass in der Siedlung Menschen mit Elektroschocks gequält und sogar ermordet wurden. Frauen und Männer mussten getrennt leben, Telefon und Fernsehen sowie jeder Außenkontakt waren streng verboten. Bei mehreren Durchsuchungen in den 90er Jahren wurden darüber hinaus Bunkeranlagen entdeckt, die durchaus als Folterkammer der Junta gedient haben könnten.

Der heutige Leiter der 1991 in "Villa Baviera" umbenannten Anlage, Michael Müller, räumte im Gespräch mit Angehörigen von Opfern der Pinochet-Diktatur ein, dass es in der Siedlung zu Menschenrechtsverletzungen gekommen sei. "Die Vorwürfe sind bestimmt berechtigt", sagte Müller und versprach volle Kooperationsbereitschaft mit der Justiz. ((APA/dpa/Reuters, red/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.3.2005)