Bern - 78 Tage lang stand er im Zentrum der Berichterstattung über den Krieg im Kosovo. Am Montagabend erklärte NATO-Sprecher Jamie Shea in Bern Vertretern aus Wirtschaft und Verwaltung, wie man einen Krieg verkauft: "Selling a Conflict - the Ultimate PR Challenge". Eingeladen hatte eine PR-Firma. Was man gewinnen müsse, sei die öffentliche Meinung, sagte der Mann, der während der NATO-Bomardierung im vergangenen Sommer täglich an Medienkonferenzen die Sicht des Militärbündnisses vermittelte. Und dies sei nicht einfach bei gleichzeitiger Verletzung der Souveränität eines Staates. "Negative Auswirkungen" Als die ersten "Kollateralschäden" auftraten und die Menschen in aller Welt Bilder von durch NATO-Bomben getöteten Zivilisten sahen, schwankte laut Shea die öffentliche Meinung. Auch die Tatsache, dass die NATO-Angriffe die Vertreibungspolitik von Slobodan Milosevic beschleunigten, habe sich negativ ausgewirkt, räumte der NATO-Sprecher ein. Dass die NATO die erste Schlacht trotzdem gewonnen habe, erklärte Shea allerdings mit der "humanitären Katastrophe" und dem dadurch gerechtfertigten "humanitären Einsatz". Gegner Milosevic habe dem Bündnis in die Hand gespielt: Mit den Bildern der Flüchtlingskarawanen auf sämtlichen Fernsehsendern habe sich die emotionale öffentliche Meinung schnell der NATO zugewandt. "Sexiest men in the world" Damit war der Krieg aber noch nicht gewonnen. Das Publikum liebe täglich ausgestrahlte Seifenopern, und diese bräuchten Hauptdarsteller, erklärte Shea. Wie gut er als solcher funktioniert habe, zeige sich daran, dass er noch heute überall auf der Welt erkannt werde. Der Medienstar vergaß nicht zu erwähnen, dass er in einem Magazin kürzlich unter den "ten sexiest men in the world" figurierte. Die Medien hatten Shea, die NATO hatte die Medien. Auf der andern Seite stand Milosevic, ohne Medienkonferenzen und mit ständig wechselnden Sprechern. Ein schwieriger Standpunkt für den Gegner, kommentierte Shea. Doch auch damit war für die NATO der Krieg noch nicht gewonnen. Seine täglichen Auftritte seien eine große Herausforderung gewesen, sagte der NATO-Sprecher. Es sei darum gegangen, so viele Details des Kriegsgeschehens wie möglich zu vermitteln - vom Bild aus dem Cockpit bis zum Winkel des Bombenaufpralls - und dabei keine Fehler zu machen, um die Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren. Oftmals hätten die Medien trotz seiner auf Transparenz basierenden Informationsstrategie auf "das Falsche" fokussiert. Um die Herausforderung zu verstehen, müsse man bedenken, dass die Briefings auch statt fanden, wenn das Kriegsgeschehen wegen schlechten Wetters stillstand. "If you don't have a story, make a story" Der Brite verglich die Situation mit einem verregneten Cricketmatch. Der Kommentator bemühe sich, über den Spielverlauf zu berichten, obwohl auf dem Rasen nichts passiere. Falsch. Pausen sollten genutzt werden - zum Beispiel um zu erklären, wer der "good guy" und wer der "bad guy" sei, sagte Shea. Außerdem gelte der Grundsatz: "If you don't have a story, make a story". So habe er an einem flauen Kriegstag den Besuch der First Ladies Clinton und Blair in einem Flüchtlingslager organisiert. Die Bilder seien von CNN dankbar aufgenommen worden. Andererseits habe er an einem wichtigen Kriegstag dafür gesorgt, dass ein Ministertreffen in Paris nicht zur gleichen Zeit stattfand wie das NATO-Medienbriefing. Am Tag 78 - als die Bombardierung eingestellt wurde - hat laut Jamie Shea die NATO den Krieg gewonnen; zwar nicht 5:0, aber doch 4:2. Es sei wie bei Rocky II: Nur das Ende zähle. In der Rückschau seien Fehlschläge unwichtig. Auf die Opfer des Krieges und die gegenwärtige Situation im Kosovo ging der NATO-Sprecher nicht ein. Er nahm von der PR-Firma einen Scheck entgegen, der hilfsbedürftigen Kindern im Kosovo zu Gute kommen soll, und verabschiedete sich von einem begeisterten Publikum, das künftig Mobiltelefone, Hamburger oder Unternehmensstrategien so gut verkaufen kann wie Jamie Shea den Krieg und die ultimative Verkaufsstrategie. (sda)