Die Pressesprecherin des Bundeskanzlers Heidi Glück im Interview zur deutschen Fernsehserie "Kanzleramt".

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Die Hauptdarsteller des "Kanzleramt": Bundeskanzler Andreas Weyer (Klaus J. Behrendt, links) mit seinem engsten Vertrauten Norbert Kraft (Robert Atzorn, rechts).

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"Ist das die Pressesprecherin?" Heidi Glück meint Ihresgleichen zu erkennen. Eine Frau im roten Sportflitzer, gekleidet in Kaschmir und knallroten Handschuhen zeigt die erste Szene der neuen Serie "Das Kanzleramt". Fahren Pressesprecherinnen tatsächlich teure Autos? Glück nennt ein Audi Cabriolet ihr eigen: "Eine Leidenschaft."

Doch obwohl die Dame am Bildschirm obendrein exakt dasselbe Handy besitzt wie Glück, ist sie dennoch keine Berufskollegin. Die vermeintliche Pressesprecherin ist in Wirklichkeit außenpolitische Leiterin im Kanzleramt und vermittelt in Folge eins in einem Fall von Kidnapping.

Ab Mittwoch bringt das ZDF zwölf Folgen lang die Politik ins Unterhaltungsfernsehen. DER STANDARD lud Heidi Glück, Sprecherin von Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel zum Augenschein. Mit zynischen Vorbildern wie der preisgekrönten US-Serie "The West Wing" hat "Das Kanzleramt" zwar nichts zu tun. Immerhin gewährt es interessante Einblicke in die Schaltzentralen der Macht, wenn auch bisweilen bemüht. Die Handlung ist selbstverständlich frei erfunden, Ähnlichkeiten mit lebenden Personen vermied das deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehen.

Wolfgang Schüssel beginnt seinen Tag mit Zeitungsstudium: "Alle österreichischen, bestimmte internationale", erzählt Glück. Im TV-Kanzleramt stellt sich früh morgens das erste verzwickte Problem: Der Forschungsminister säuft anscheinend und äußert während einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz wortgewaltig seinen Unmut über die Politik der eigenen Regierung. Der Fernsehkanzler weiß von nichts, er weilt auf Staatsbesuch in Australien.

"Schlicht undenkbar" sei das, kommentiert Glück. "Noch so einen Auftritt, und die Leute werden glauben, dass wir unseren eigenen Laden nicht mehr im Griff haben", fürchtet indessen Glücks männliches Pendant im Film. "Lassen Sie sich etwas einfallen", lautet der Auftrag aus dem Kanzleramt.

Heidi Glück studierte Publizistik und Politikwissenschaft, arbeitete im ORF und im Büro von Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer. Im März 2000 rief sie der Bundeskanzler, die EU-Sanktionen waren ihre ihre Feuertaufe: "meine schwierigste Zeit". Glück koordiniert Pressekonferenzen, interne Besprechungen, hält Kontakt zu Journalisten und beobachtet die Opposition. "Der Kanzler muss wissen, was auf ihn zukommt."

"Zufall ist tödlich"

"Pressesprecher müssen Journalisten immer einen Schritt voraus sein", sagt Glück. Beim überraschenden Rücktritt von Innenminister Ernst Strasser bereitete sie drei Stunden vor Bekanntwerden Schüssels Reaktion für die Journaille vor. Glück: "Zufall ist tödlich."

Nicht so im Fernsehen. Der übergeschnappte Forschungsminister verprügelt einen Passanten, die Medienarbeiter erfahren lange nichts davon. "Die sind alle überfordert", kommentiert Glück.

Über die Zusammenarbeit zwischen Journalisten und Polizei schweigt die 42-Jährige dann aber doch lieber. Die Antwort übernimmt indes eine Figur im Fernsehen: "Von mir erfahren Sie nichts dazu."

Glück gefällt die Rolle des Kanzleramtsministers: "Gut gewählt. Ein ernsthafter Mensch, der recherchiert und weiß, was zu tun ist."

Emotionen sind da wie dort im Spiel. Etwa, wenn die Pressesprecherin ihren Vorgesetzten in den höchsten Tönen lobt. Anders als der Fernsehkanzler beschäftige Schüssel etwa keinen Redenschreiber: "Er spricht frei. Wir stellen ihm lediglich Unterlagen zusammen." Auf öffentliche Auftritte bereite er sich "mit großer Liebe zum Detail vor".

Insgesamt erscheint ihr die Serie "wie ein Krimi". Entsprechend zurückhaltend ihr Resümee: "Die Arbeit eines Bundeskanzlers wird nicht dargestellt." Als reine Repräsentationsfigur ist der Fernsehkanzler mehr auf perfektes Äußeres als auf Inhalte bedacht. Ist ein so eitler Politiker pure Erfindung von Drehbuchschreibern? "Politik, die nicht öffentlich kommuniziert wird, findet letztlich nicht statt. Jeder Politiker braucht ein gewisses Maß an Eitelkeit, er muss in der Öffentlichkeit vorkommen wollen." (Doris Priesching/DER STANDARD, Printausgabe, 23.3.2005)